Manche Textilmaschinen bleiben lange in Gebrauch. Sie erfüllen ihre Funktion aufgrund ihrer Robustheit und Bedienfreundlichkeit viele Jahrzehnte lang. Doch ältere Maschinen verfügen oftmals nicht über Schutzeinrichtungen auf dem heute üblichen Stand der Technik. Der Betreiber ist deshalb verpflichtet, durch seine Gefährdungsbeurteilung zu überprüfen, ob die Maschine noch sicher genug betrieben werden kann.
Hiermit befasst sich die vom Ausschuss für Betriebssicherheit (ABS) herausgegebene Empfehlung EmpfBS-1114 „Anpassung an den Stand der Technik bei der Verwendung von Arbeitsmitteln“, die auf der Website der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin heruntergeladen werden kann.
Das Dokument bietet insbesondere Hilfestellung bei der Klärung der Frage: Ist die Kluft zum aktuellen Stand der Technik im Laufe der Zeit so groß geworden, dass eine Nachrüstung erforderlich ist? Oder kann der sicherheitstechnische Unterschied noch durch andere Maßnahmen ausgeglichen werden (z. B. strikte Umsetzung sicherer Arbeitsweise, verstärkte Qualifizierung, Unterweisung, ggf. auch Persönliche Schutzausrüstung).
Betrachtet man den Aufwand, der durch die Organisation dieser zusätzlichen Ersatzmaßnahmen erforderlich wird, kann eine technische Nachrüstung – abgesehen vom Gewinn für die Sicherheit der Mitarbeitenden – langfristig auch wirtschaftlich die bessere Lösung sein.
Rohi Stoffe im oberbayerischen Geretsried ist diesen Weg bereits vor acht Jahren gegangen. Wir haben mit Enis Sujak, Produktionsleiter bei Rohi Stoffe GmbH, über die Nachrüstung einer Maschine und die seitdem gemachten Erfahrungen gesprochen.
Herr Sujak, was stellt die Firma Rohi Stoffe GmbH her?
Enis Sujak: Wir sind als Weberei spezialisiert auf hochwertige Bezugsstoffe für die Luftfahrtindustrie und stellen unsere Ketten aufgrund der besonderen Anforderungen selbst her. Hierfür nutzen wir eine 1985 gebaute Konusschärmaschine. Diese Maschine war ursprünglich nur mit einem einfachen Schutzbügel gesichert.
Was war die Motivation, die Maschine nachzurüsten?
Enis Sujak: 2008 hat es einen tödlichen Unfall in Süddeutschland gegeben. (Siehe unten: "Tödlicher Unfall beim Umbäumen".) Das hat sich in der Branche herumgesprochen. Außerdem stamme ich aus der Region, in der das passiert ist, und war deshalb noch etwas näher an dem Ereignis. Als ich 2011 Betriebsleiter wurde, habe ich deshalb die Verbesserung der Sicherheit an unserer Konusschärmaschine recht bald aufgegriffen.
Haben Sie den Umbau selbst durchgeführt?
Enis Sujak: Nein, unsere internen Werkstattkapazitäten müssen wir auf die Produktion konzentrieren. Wir haben sorgfältig überlegt, wie die Schutzeinrichtung beschaffen sein soll und unsere Vorstellungen dann gemeinsam mit einem für uns als Dienstleister tätigen Fachmonteur für Webereivorwerksmaschinen und einer örtlichen Schlosserei realisiert. Selbstverständlich war auch unsere Sicherheitsfachkraft über den gesamten Verlauf des Projektes eingebunden.
Wie funktioniert die Schutzeinrichtung?
Enis Sujak: Die Schutzeinrichtung besteht aus einem stabilen Gitter, das wie ein Schiebetor zur Seite geschoben werden kann. Im offenen Zustand kann die Maschine zum Einrichten mit Kriechgang und Totmanntaster laufen.
Das Abbäumen ist nur möglich, wenn die Schutzeinrichtung geschlossen ist. Die geschlossene Position wird mit einem Sicherheitsschalter abgefragt. Gleichzeitig wird die Schutzeinrichtung zugehalten. Die Zuhaltung lässt sich erst lösen, nachdem die Maschine zum Stillstand gekommen ist.
Wichtig für die Qualität der Kette ist, dass trotz der Schutzeinrichtung ein guter Einblick auf den Webbaum erhalten bleibt, damit Ungleichmäßigkeiten sofort erkannt und die Maschine gestoppt werden kann. Das ist durch das Gitter problemlos gewährleistet.
Zwischen Bäummaschine und Schärtrommel befindet sich ein schmaler Gang. Hier haben wir über die gesamte Maschinenbreite eine Not-Halt-Leine angebracht. Hierdurch kann sich niemand in dem Gang aufhalten, ohne die Leine beiseite zu drücken und auszulösen. Das verhindert, dass dieser Bereich während des Bäumens betreten wird bzw. dass die Maschine anlaufen kann, wenn sich dort jemand befindet.
Mussten Sie für den Umbau in die Steuerung eingreifen?
Enis Sujak: Das war nur für den Zuhaltungs- und Verriegelungsschalter sowie die Not-Halt-Leine nötig. Hierfür konnten vorhandene Anschlüsse genutzt werden, die für solche Funktionen vorgesehen sind. Der Eingriff in die Steuerung war also recht einfach.
Einige Bedienelemente für die Konusschärmaschine liegen außen auf dem Schutzbügel. Hier haben wir eine schlitzförmige Öffnung von 11 cm Weite im Schutzgitter frei gelassen. So kommt man bequem an die Taster, aber die Gefahrstellen sind so weit weg, dass sie nicht erreicht werden können.
Sonst hätten Sie diese Bedientaster nach außen verlegen müssen?
Enis Sujak: Ja, dann wäre der Umbauaufwand viel höher gewesen. Das konnten wir durch das von uns überlegte Konzept vermeiden.
Wir kennen als Berufsgenossenschaft das Bedürfnis der Beschäftigten und auch der Betriebe, die Qualität durch direktes Fühlen zu beurteilen und bei kleinen Unregelmäßigkeiten nachzuhelfen, ohne gleich abzuschalten. Wie wurde die Schutzeinrichtung von den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen angenommen?
Enis Sujak: Die Mitarbeiterin, die hauptsächlich an der Maschine arbeitet, hat die Schutzeinrichtung von Anfang an akzeptiert und war froh über die erhöhte Sicherheit. Ich denke der Investitionsaufwand für die Sicherheit kann von den Beschäftigten auch als Wertschätzung empfunden werden.
Das beim Abbäumen schnell laufende Bäumteil ist ja auch Respekt einflößend. Um eine versteckte Gefahr handelt es sich hierbei nicht gerade. Man muss nur daran denken, dass man auch mal stolpern kann. Und die Fadenspannung oder Baumhärte kann man auch im Stillstand tasten. So viel Zeit muss sein. Das sage ich den Beschäftigten und bei solchen Dingen wird hier auch niemand zur Eile angetrieben.
Die Maschine wird nun schon seit acht Jahren mit Schutzgitter betrieben. Welche Erfahrungen haben Sie gemacht. Mussten Sie nachbessern?
Enis Sujak: Nachbessern mussten wir nichts. Dies verdanken wir wohl der Tatsache, dass wir uns vor dem Umbau viele Gedanken gemacht haben. So wie wir die Maschine damals umgebaut haben, läuft sie noch heute. Nur eben sicherer.
Herr Sujak, das ist ein schönes Schlusswort. Vielen Dank für das offene Gespräch.
Das Interview führte Martin Steiner
Tödlicher Unfall beim Umbäumen
Frau A. war als Maschinenführerin im Webereivorwerk an einer über 30 Jahre alten Konusschärmaschine tätig. Wie für Maschinen aus dieser Zeit üblich, war sie mit einem Schutzbügel ausgestattet.
Der Schutzbügel befindet sich in Bauchhöhe und hat eine abweisende Funktion gegen versehentliches Eindringen in den Gefahrbereich. Bei Auslenkung nach oben oder unten schaltet er die Maschine sofort ab. Zusätzlich war die Maschine mit einer Einzellichtschranke im Fußbereich abgesichert.
Aber es war möglich, zwischen Bügel und Lichtschranke hindurchzugreifen, ohne dass der Stopp ausgelöst wurde. Eine Rolle spielte auch weite Kleidung, in diesem Fall ein Kapuzenshirt. Warum das Opfer den seitlichen Baumscheiben zu nahe kam, kann nicht mehr nachvollzogen werden. Es gab keine unmittelbaren Zeugen.
Offenbar war das Sweatshirt von Frau A. von vorstehenden Schrauben (zur Fixierung zwischen Kettbaumscheiben und Vierkantachse) erfasst worden und sie wurde ruckartig in die Maschine gerissen. Mit unmittelbar tödlichen Folgen.
Der Unfall zeigt, dass weite Kleidung, Schals, lange offene Haare an Maschinen mit Einzugsgefahr eine erhebliche Gefahr darstellen. Der Unfall zeigt auch, warum moderne Maschinen mit trennenden Schutzeinrichtungen ausgestattet sind, die ein Hineingreifen zum Kettbaum bei laufender Maschine vollständig verhindern.
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