Beim Betreten des Raums fällt mein erster Blick auf die wie in einem Zuschauersaal angeordnete Sitztreppe. Eine fast gespenstisch wirkende Leere liegt über dem futuristisch gestalteten Versammlungsraum der Firma 3D-Micromac AG in Chemnitz. Eigentlich sollen heute Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hier ihre Laserschutzunterweisung erhalten – sollen. Was sonst der kollegialen Nähe dient, ist unter Corona-Bedingungen unmöglich: eng nebeneinandersitzen und den neuesten Bestimmungen beim Umgang mit den Laseranlagen lauschen.
Mario Häuberer ist Anfang 30. Vor einem Jahr hat er die Aufgabe als Laserschutzbeauftragter übernommen. Bei der Planung seiner ersten Schulung unter Berücksichtigung der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel beschlichen ihn Zweifel:
- Wie kann die vom Gesetz geforderte jährliche Unterweisung unter Corona-Bedingungen stattfinden?
- Welche Methoden dürfen zur Präsenzunterweisung verwendet werden?
- Ist eine rein digitale Unterweisung rechtskonform?
Um diese Fragen zu klären, rief er mich an. Ich bin Ronald Unger und als zuständige Aufsichtsperson der BG ETEM sein Ansprechpartner in Sachen Arbeitssicherheit.
Als Berufsgenossenschaft beraten wir mit bundesweit etwa 250 Aufsichtspersonen und Präventionsberatern die Betriebe zu allen Maßnahmen für sichere und gesunde Arbeitsprozesse. Gerade in der zurückliegenden Zeit konnten wir viele Anfragen zum Gesundheitsschutz der Beschäftigten im Zusammenhang mit Covid-19 klären – durch Informationen im Internet, Unterstützung bei der Gefährdungsbeurteilung oder durch telefonische und persönliche Beratung. So wie in diesem Fall.
Definierte Rollen
Laserschutzbeauftragten hat der Gesetzgeber ebenso wie der Fachkraft für Arbeitssicherheit kein (Unter-)Weisungsrecht eingeräumt. Damit sind sie befreit von rechtlicher Verantwortung.
„Natürlich dürfen und sollen Sie als Fachmann zur Laserstrahlung Ihr Spezialwissen an die anderen Beschäftigten weitergeben und auch Verhaltensregeln zum sicheren Umgang mit Laseranlagen darlegen“, erkläre ich Mario Häuberer. „Denn die wenigsten Führungskräfte verfügen über ein solches Wissen und brauchen Sie daher als Spezialisten mit Ihren Kenntnissen.“
Die Verantwortung zur Umsetzung und Einhaltung der Regeln ist aber Sache der jeweiligen Vorgesetzten. Wen das konkret betrifft, ergibt sich aus der Firmenhierarchie und der Weisungsbefugnis, die von der Unternehmensleitung festgelegt wird.
Praktische Umsetzung
Mario Häuberer hatte Ideen für die Veranstaltung entwickelt:
- Die Schulung wird online an die jeweiligen Arbeitsplätze und an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Homeoffice als Liveveranstaltung übertragen.
- Für Rückfragen während der Schulung steht seine Kollegin Jana Nissel, ebenfalls ausgebildete Laserschutzbeauftragte, simultan zur Verfügung.
- Die jeweiligen Vorgesetzten weisen die vorgetragenen Schutzmaßnahmen an und kontrollieren die Wirksamkeit.
- Die Unterwiesenen unterschreiben für ihre Teilnahme am Empfang und erhalten eine Teilnahmebescheinigung.
Bis auf den vierten Punkt stimme ich ihm zu. Es würde dem Gedanken der Wirksamkeitskontrolle einer Unterweisung widersprechen, wenn die Beschäftigten ihre Unterschriften quasi anonym am Empfang leisten (siehe Checkliste am Ende des Beitrags). Die Führungskräfte sollen die Maßnahmen zusammen mit ihren Teams praktisch umsetzen. Dazu gehört auch, dass sie sich von den Teammitgliedern persönlich dokumentieren lassen, die Inhalte verstanden zu haben.
Heute begrüßt Mario Häuberer die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Schulung an ihren Arbeitsplätzen und im Homeoffice. Nach kleinen Startschwierigkeiten mit der Technik haben sich fast 90 Prozent der Belegschaft zugeschaltet. Die fehlenden Kolleginnen und Kollegen werden zu einem späteren Zeitpunkt eingeladen. Die beiden Laserschutzbeauftragten sitzen in gebührendem Abstand voneinander vor leeren Rängen im sonst gut gefüllten Versammlungsraum. Mithilfe seines Laptops erklärt Mario Häuberer die Laserklassen, die Gefährdungen und Schutzmaßnahmen. Jana Nissel steht am zweiten Laptop bereit für Fragen. Offensichtlich sind Präsentation und Worterklärung so einleuchtend, dass ihr Kopfhörer stumm bleibt.
Nach einer Stunde ist Mario Häuberer erleichtert. Es hat sich gezeigt, dass praxisnahe Unterweisungen auch unter schwierigen Bedingungen mit Abstandswahrung und Homeoffice möglich sind.
Zwei Schritte braucht es dazu: Das notwendige Wissen kann in der ersten Stufe durchaus digital an die jeweiligen Arbeitsplätze in Form einer Schulung vermittelt werden.
Danach ist es Aufgabe der jeweiligen Führungskraft, die Maßnahmen mit einer Anweisung umzusetzen und ihre Wirksamkeit zu kontrollieren. Damit ist die Unterweisung komplett.
Dr. Ronald Unger