Wer einen Kabelmesswagen betreibt und mit dessen Hochspannungsgeräten arbeitet, muss dabei besonders aufmerksam sein und über großes Fachwissen verfügen. Denn trotz regelmäßiger Sicherheitsunterweisungen kommt es bei Arbeiten mit dem Kabelmesswagen immer wieder zu Unfällen – teilweise mit schweren Brandverletzungen, manchmal sogar mit Todesfolge. Die Messwagen verfügen generell über einen hohen Sicherheitsstandard. Bei der Untersuchung von Unfällen werden deshalb oft menschliches Versagen oder organisatorische Mängel als Ursache festgestellt.

Bild 1: Blanke „H-Klemmen“ im Vergleich zu isolierter „Aufsetzklemme“ mit isoliertem, flexiblem Handgriff

Blanke „H-Klemmen“ im Vergleich zu isolierter „Aufsetzklemme“ mit isoliertem, flexiblem Handgriff

Vier-Augen-Prinzip

Aus Kostengründen haben einige Energieversorger die Rollen des Anlagen- und des Arbeitsverantwortlichen in einer Person zusammengeführt. Das bedeutet, dass der Messtechniker (Arbeitsverantwortlicher) auch die Rolle des Anlagenverantwortlichen übernimmt. Unter dem Blickwinkel der Arbeitssicherheit ist das bedenklich, da es kein „Vier-Augen-Prinzip“ mehr gibt. Auch die verpflichtende Organisation der Ersten Hilfe leidet unter der Zusammenführung beider Verantwortlichkeiten in einer Person und wäre zu überdenken.

Gerade die Aufgaben des Anlagenverantwortlichen können, wenn sie vernachlässigt werden, zu gravierenden Unfällen führen. Hierzu zählen die konsequente Umsetzung der fünf Sicherheitsregeln sowie – unter anderem – das Kennzeichnen des Arbeitsbereiches und aller Schalt- und Trennstellen. Diese Arbeiten sind für die Arbeitssicherheit unverzichtbar. Erst wenn der Arbeitsbereich richtig gekennzeichnet und abgekettet oder abgedeckt ist, lässt sich eine irrtümliche Verwechslung oder das versehentliche Berühren unter Spannung stehender Anlagenteile ausschließen. Die BG ETEM empfiehlt, die Trennung von Anlagen- und Arbeitsverantwortlichen weiter beizubehalten.

Ablaufschema: Zusammenspiel zwischen Anlagen- und Arbeitsverantwortlichem aus der DGUV Information 203-048

Ablaufschema: Zusammenspiel zwischen Anlagen- und Arbeitsverantwortlichem aus der DGUV Information 203-048

Zusammenspiel zwischen Anlagen- und Arbeitsverantwortlichem

Das Zusammenspiel zwischen Anlagen- und Arbeitsverantwortlichem stellt ein Kernelement beim sicheren Betrieb von Kabelmesswagen dar. Die Aufgaben und das Zusammenspiel von Arbeits- und Anlagenverantwortlichen werden in der DGUV Information 203-048 übersichtlich dargestellt und wird deshalb im Seminar 158 ausführlich behandelt. Die Rollen und das Zusammenwirken beider Seiten im Überblick:

Aufgaben des Anlagenverantwortlichen (Beispiel: Bezirksmonteur)

  • Herstellen und Sicherstellen des spannungsfreien Zustands an der Arbeitsstelle entsprechend den 5 Sicherheitsregeln als grundsätzliche Forderung des § 6 der Unfallverhütungsvorschrift DGUV Vorschrift 3
  • Kennzeichnen des Arbeitsbereichs und aller Schalt- und Trennstellen
  • Prüfung der Kabeltrasse auf Gefahrenpunkte

Bild 5: Kennzeichnung des Arbeits- und Prüfbereichs

Kennzeichnung des Arbeits- und Prüfbereichs.

Bild 6: Abdecken benachbarter, unter Spannung stehender Teile

Abdecken benachbarter, unter Spannung stehender Teile.

Zusammenarbeit von Anlagen- und Arbeitsverantwortlichem:

  • Genehmigung/Erlaubnis für die Durchführung der Arbeiten
  • Die Erdungs- und Kurzschließmaßnahmen am elektrischen Betriebsmittel, das geprüft werden soll, zum Beispiel Kabel bzw. Leiter, werden nach Absprache aufgehoben

Aufgaben des Arbeitsverantwortlichen (Messtechniker/in):

  • Kabelmesswagen unter Berücksichtigung der RSA aufstellen und absichern
  • Freigabe zur Arbeit
  • Messwagenanschluss nach Herstellervorgaben
  • Prüfbereich absperren und kennzeichnen
  • Messungen/Prüfungen durchführen

Bild 7: Messwagen im Straßenverkehr aufstellen und sichern

Messwagen im Straßenverkehr aufstellen und sichern

Bild 8: Prüfbereich absperren

Prüfbereich absperren

Nach den Messungen/Prüfungen erfolgt in Zusammenarbeit mit dem Anlagenverantwortlichen der Rückbau in umgekehrter Reihenfolge.

Persönliche Schutzausrüstung (PSA) minimiert die Folgen, wenn es doch zu einer ungewollten Berührung des noch oder schon wieder unter Spannung stehenden aktiven Teils oder dem Eintritt eines Störlichtbogens kommt.

Besonders beim Arbeiten an energiereichen Anlagen besteht immer die Möglichkeit einer hohen Restenergie und damit eines Störlichtbogens. Deshalb muss man immer geeignete PSA gegen Störlichtbogen (PSAgS) tragen.

Gerade in der heißen Jahreszeit kann das Tragen der PSAgS zwar eine hohe Belastung für die Elektrofachkräfte sein. Die Zeit, während der die komplette PSA getragen werden muss, ist jedoch nur kurz – zum Beispiel beim Anbringen der Isoliertücher, dem Einbringen von Isolierplatten oder dem Anschließen des Messwagens.

Bild 9:  Persönliche Schutzausrüstung (PSAgS)

Ein Beschäftigter mit einer Persönlichen Schutzausrüstung gegen Störlichtbogen (PSAgS) bei Arbeiten an einem Stromkasten.

Fazit:

Der Umgang mit dem Kabelmesswagen und mit transportablen Hochspannungsprüfgeräten erfordert nicht nur ein hohes Fachwissen, sondern auch eine große Praxiserfahrung im Energieverteilnetz. Das betrifft vor allem die Mittelspannungsschaltanlagen mit ihren Anschlussgarnituren und die Niederspannungsverteilungen mit ihren verschiedenen Sicherungsleisten. Daher ist es zwingend erforderlich, dass Messtechniker und Messtechnikerinnen regelmäßig an Sicherheitsunterweisungen und Seminaren teilnehmen, bei denen auch die Besonderheiten in ihrem Energienetz und die Handhabung ihrer Prüf- und Messgeräte einen zentralen Platz einnehmen.

Andreas Borlinghaus, Peter Westphal