Illustration Konflikte am Arbeitsplatz: Mit der richtigen Strategie Konflikte lösen.

Mit der richtigen Strategie können die meisten Konflikte gelöst werden.

Arbeitsschutz kann zum Streitthema werden. „Und zwar immer dann, wenn sich jemand nicht an Weisungen hält“, weiß Dr. Ronald Unger. Als langjährige Aufsichtsperson der BG ETEM kennt er typische Situationen, wie sie in vielen Betrieben auftreten. Konflikte entstehen zum Beispiel, wenn Beschäftigte sich wiederholt nicht an Unterweisungen halten oder Fahrer von Gabelstaplern beharrlich auf den Gurt verzichten. In solchen Fällen beklagen ratlose Unternehmer oder Führungskräfte häufig: „Die hören einfach nicht auf mich, was soll ich machen?“ Oder: „Ich kann doch nicht immer danebenstehen.“

„Was tun?“, ist die entscheidende Frage bei vielen Streitigkeiten in Betrieben. Die müssen sich nicht immer um Fragen des Arbeitsschutzes drehen. Anlässe gibt es genug. „Ungenaue Absprachen, zu wenige Informationen oder das Gefühl, nicht gerecht behandelt zu werden, sind häufige Gründe für wachsende Unzufriedenheit bei Beschäftigten“, sagt Jella Heptner, Referentin für Arbeitspsychologie bei der BG ETEM.

Experten unterscheiden verschiedene Konfliktarten. Hier eine kleine Auswahl:

  • Rollenkonflikte sind ein Zeichen dafür, dass Funktionen und Aufgaben nicht klar definiert sind. Betroffene fühlen sich dadurch häufig überfordert.
  • Verteilungskonflikte treten in vielen Betrieben auf, wenn es um knappe Ressourcen, den besseren Job oder mehr Einfluss geht.
  • Ziel- und Wertkonflikte entstehen, wenn übergeordnete Vorgaben fehlen und unterschiedliche Wertvorstellungen aufeinandertreffen.
  • Beziehungskonflikte sind emotional geprägt. Betroffene fühlen sich benachteiligt oder nicht wertgeschätzt. Das führt zum Streit – oft scheinbar um Kleinigkeiten.

Wie erkenne ich Konflikte?

„Wie auch immer man Konflikte kategorisiert, im Mittelpunkt stehen die Beziehungen zwischen Menschen“, sagt Jella Heptner. Unternehmerinnen und Unternehmer können eine Menge dafür tun, potenzielle Konflikte bereits im Vorfeld zu vermeiden.

  • Transparenz: Wer offen und verständlich über die entscheidenden Vorgänge im Unternehmen informiert, verhindert Missverständnisse.
  • Klarheit: Sind Aufgaben und Funktionen klar beschrieben und definiert, kommt es seltener zu Kompetenzgerangel oder Ablehnung („Dafür bin ich nicht zuständig.“).
  • Zielvorgaben: Stehen die Unternehmensziele fest, wissen auch die Beschäftigten, wo die Reise hingehen soll und wofür sie sich einsetzen.
  • Betriebsklima: Ein wertschätzender und kooperativer Führungsstil, der Beschäftigte bei Entscheidungen einbezieht, entzieht manchem Konflikt den Boden.

„Scheinbare Beziehungskonflikte überdecken oft strukturelle Probleme im Betrieb“, erklärt Jella Heptner. Das könnten zum Beispiel ständiger Zeitdruck oder auch Reibungsverluste an den Schnittstellen im Betrieb sein. „In diesen Fällen bieten Konflikte sogar die Chance, etwas zu verbessern und die betrieblichen Abläufe zu optimieren“, so Heptner.

Entscheidend sei, die wahren Hintergründe zu erkennen, die richtigen Schlüsse zu ziehen und das kreative Potenzial zu nutzen, das in solchen Auseinandersetzungen oft zum Ausdruck komme. „Im Ergebnis können konstruktive Konfliktlösungen dann sogar Vorteile für alle Beteiligten bringen“, sagt Heptner. Voraussetzung ist, rechtzeitig zu erkennen, dass es im Betrieb brodelt. Mögliche Zeichen für Konflikte sind:

  • häufigere Krankmeldungen,
  • mehr Fehler und Kundenbeschwerden,
  • ein unfreundlicher Umgangston,
  • nachlassendes Engagement und
  • schließlich sogar Kündigungen.

Was tun, wenn es knallt?

Nicht immer aber lassen sich Konflikte bereits im Vorfeld vermeiden oder zumindest im Keim ersticken. Dann kommt es darauf an, rechtzeitig einzugreifen und gezielt auf eine Lösung hinzuwirken. Dazu ist es unter anderem ratsam, frühzeitig mit den Mitarbeitenden zu sprechen. Entscheidend für den Erfolg eines Konfliktgesprächs ist die Atmosphäre, in der es stattfindet. „Unternehmerinnen und Unternehmer bzw. Vorgesetzte stehen hier besonders in der Verantwortung“, meint Jella Heptner – unabhängig davon, ob sie einen Streit zwischen Beschäftigten moderieren oder selbst am Konflikt beteiligt sind.

Sie müssen die Streithähne an einen Tisch bringen und darauf hinwirken, dass alle Beteiligten sachlich bleiben und persönliche Angriffe ausbleiben. Dazu muss jeder das Gefühl haben, nicht nur ausreichend zu Wort zu kommen, sondern auch verstanden zu werden. „Es gilt also, Bereitschaft zum Zuhören und Verständnis zu signalisieren – auch wenn man die Position des anderen inhaltlich nicht unbedingt teilt“, erklärt Heptner. Schließlich gehe es darum, Gemeinsamkeiten zu finden und das Verbindende zu betonen – eine wichtige Voraussetzung für mögliche Auswege.

Die Konfliktlösung selbst besteht aus vier Phasen, die Schritt für Schritt ineinandergreifen.

  • Analyse: Im Grunde geht es darum, Ross und Reiter beim Namen zu nennen. Im Gespräch ist zu klären, worum es eigentlich geht, wer sich streitet und was die Ursachen dafür sind.
  • Lösung: Wie lässt sich der Konflikt lösen? Am meisten Aussicht auf Erfolg haben Vorschläge, an denen alle mitgearbeitet haben und die von den Kontrahenten mitgetragen werden.
  • Umsetzung: Sicherlich kein leichtes Unterfangen: die guten Vorsätze Wirklichkeit werden lassen. Neben Einsicht der Beteiligten braucht es dazu auch einen Vorschuss an Vertrauen
  • Erfolgskontrolle: Nach einer vereinbarten Zeit sollte man sich zusammensetzen und prüfen: Hat es was gebracht? Sind wir heute weiter? Das hilft gegen ein Wiederaufflammen des alten Streits.

Wann brauche ich Hilfe?

Wie erfolgversprechend eigene Versuche der Konfliktlösung sind, hängt auch davon ab, wie weit die Meinungsverschiedenheiten bereits eskaliert sind. Das lässt sich sehr gut an einem Modell des österreichischen Konfliktforschers Friedrich Glasl ablesen (siehe Infografik unten). Er hat die Entwicklung von Konflikten in mehrere Phasen eingeteilt.

  • Am Anfang ist noch alles offen, konstruktive Lösungen scheinen möglich und alle Beteiligten können unter Umständen davon profitieren.
  • In der zweiten Phase hat sich der Streit verschärft, eine einvernehmliche Lösung ist nicht mehr möglich. Eine Partei wird verlieren.
  • In der dritten Phase ist das Tischtuch endgültig zerschnitten, es geht nur noch darum, dem Gegner zu schaden. Am Ende verlieren alle.

Jede dieser drei Phasen unterteilt Glasl noch einmal in jeweils drei Stufen. Anfangs können Konflikte noch aus eigener Kraft oder im Fall eines Streits zwischen Beschäftigten durch Vermittlung der Führungskraft gelöst werden. Ab einer bestimmten Eskalationsstufe ist das kaum noch möglich. Spätestens mit Eintritt in die zweite Phase, wenn Kontrahenten Verbündete suchen und das Gewinnen des Konflikts wichtiger wird als konstruktive Lösungen, braucht es die Hilfe von unbeteiligten Dritten, z. B. einer anderen Führungskraft oder einer externen Mediatorin.

Konflikteskalation und Möglichkeiten zum Eingreifen

Grafik Modell Konflikteskalation nach Glasl (1980)

Modell nach Friedrich Glasl (1980)

„Wenn es so weit gekommen ist, sollten andere Führungskräfte als Vermittler hinzugezogen werden und bei zunehmender Konfliktzuspitzung sollten sich Unternehmerinnen und Unternehmer für eine professionelle Begleitung entscheiden“, rät Jella Heptner. Infrage kommen dafür ausgebildete Mediatorinnen und Mediatoren oder systemische Berater und Beraterinnen, die zu Konflikten beraten. Jetzt gehe es darum, das Unternehmen selbst vor Schaden zu bewahren.