Die Pflicht zum Vorteil nutzen
„Wo habe ich sie denn?“ Kennen Sie das auch? Sie haben vor Jahren gleich nach dem BG-Seminar voll motiviert eine Gefährdungsbeurteilung erstellt. Ganz nach Vorschrift. Und jetzt suchen Sie sie, weil die Aufsichtsperson der BG bei der Unfalluntersuchung danach fragt. Zeit also, mal wieder intensiver über Arbeitssicherheit nachzudenken.
„Wer sich für das Unternehmermodell entschieden hat, muss erst mal ohne externe Hilfe den Arbeits- und Gesundheitsschutz in seinem Betrieb organisieren“, sagt Dr. Ronald Unger, Aufsichtsperson und Referent bei der BG ETEM. Dazu gehört auch eine Gefährdungsbeurteilung. Darin werden die betrieblichen Abläufe, damit verbundene Gefährdungen und die Maßnahmen zur Unfallverhütung festgehalten.
„Nehmen Sie Ihre Beschäftigten ernst, hören Sie zu, was sie zu sagen haben“
Dr. Ronald Unger, BG ETEM
Die Gefährdungsbeurteilung ist nicht nur gesetzlich vorgeschrieben. „Sie hat auch handfeste betriebswirtschaftliche Vorteile“, weiß Dr. Unger. Nach Schätzungen kostet der Ausfall eines Beschäftigten einen Betrieb je nach Branche zwischen 300 und 500 Euro pro Tag. In zwei Wochen kommt so schnell ein Betrag von 4.000 Euro oder mehr zusammen. „Spätestens dann hätte sich ein regelmäßiger Sicherheitscheck bezahlt gemacht.“
Grund genug also, eine einmal erstellte Gefährdungsbeurteilung von Zeit zu Zeit unter die Lupe zu nehmen. Stimmen die Angaben zu Arbeitsabläufen, Maschineneinsatz und Sicherheitsmaßnahmen noch mit der Realität überein? Wenn nicht, besteht dringender Handlungsbedarf.
Darüber hinaus hat es durchaus innerbetriebliche Vorteile, das Thema Arbeitssicherheit zusätzlich zur vorgeschriebenen betrieblichen Unterweisung von Zeit zu Zeit anzusprechen – vorausgesetzt, Sie binden Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein. Sie sind die Experten für ihre Arbeitsplätze. „Nehmen Sie sie ernst, hören Sie zu, was sie zu sagen haben“, rät Dr. Unger.
Auf diese Weise lassen sich versteckte Mängel viel leichter entdecken und beseitigen. Gemeinsam beschlossene Schutzmaßnahmen werden eher eingehalten als verordnete Verhaltensregeln. Und schließlich: Fühlen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer die Wertschätzung ihres Chefs und werden sie bei Entscheidungen einbezogen, trägt das auch zu einem gesunden und vertrauensvollen Arbeitsklima bei. Eine gute Voraussetzung für sicherheitsbewusstes Verhalten bei der Arbeit. Und möglicherweise auch ein Pluspunkt beim Wettbewerb um rare Fachkräfte.
Stellt sich noch die Frage, wie oft man die Gefährdungsbeurteilung in die Hand nehmen und überprüfen sollte? Die einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen sagen zum einen „regelmäßig“, wobei der Stand der Technik zu berücksichtigen sei (Betriebssicherheitsverordnung § 3 Abs. 7).
Zum anderen muss die Gefährdungsbeurteilung immer dann angepasst werden, wenn „sich die betrieblichen Gegebenheiten hinsichtlich Sicherheit und Gesundheitsschutz geändert haben“ (DGUV Vorschrift 1, § 3 Abs. 2). Will heißen: spätestens, wenn eine neue Maschine angeschafft wird, neue Arbeitsverfahren eingeführt oder neue Vorschriften in Kraft treten, ist es so weit.
„Lieber einmal zu viel als einmal zu wenig. Dann sind Sie auf der sicheren Seite“, sagt Dr. Ronald Unger, „denn die Verantwortung liegt bei jeder Unternehmerin und jedem Unternehmer selbst.“
Die wichtigsten Fragen und Antworten
Was ist eine Gefährdungsbeurteilung?
Sperriges Wort – einfache Definition. Die Gefährdungsbeurteilung ist das zentrale Instrument, um Unfälle und Erkrankungen bei der Arbeit zu vermeiden. Sie beschreibt Arbeitsabläufe und die damit verbundenen Risiken. Dazu gehört eine Liste der Maßnahmen, die diese Risiken minimieren sollen. Das Arbeitsschutzgesetz schreibt vor, dass jeder Betrieb eine Gefährdungsbeurteilung erstellen und aktuell halten muss.
Was bringt sie meinem Betrieb?
Ziel ist, sich potenzielle Gefährdungen bewusst zu machen, bevor etwas passiert. Deswegen wird in der Gefährdungsbeurteilung für alle Beteiligten dokumentiert, was zu tun ist. Die Vorteile liegen auf der Hand: Aufdecken versteckter Mängel, Absenken des Unfallrisikos, höheres Sicherheitsbewusstsein bei den Beschäftigten, weniger finanzielle Risiken durch teure Ausfalltage.
Wann muss ich das machen?
Zunächst immer, wenn etwas Neues losgeht: bei der Betriebsgründung, wenn Arbeitsplätze eingerichtet werden oder ein Arbeitsmittel zum ersten Mal eingesetzt wird. Doch damit ist es nicht getan. Die Gefährdungsbeurteilung muss aktualisiert werden, wenn Schutzmaßnahmen nicht ausreichen, Arbeitsabläufe sich ändern, neue Maschinen beschafft werden, sich Fehlzeiten in der Belegschaft häufen oder sogar ein Arbeitsunfall passiert ist.
Was gehört da rein?
Das Gesetz nennt nur Grundsätze und macht keine detaillierten Vorschriften über die Inhalte. Die hängen wesentlich von branchenspezifischen und betrieblichen Gegebenheiten ab. Arbeitsabläufe, mögliche Gefährdungen und die festgelegten Schutzmaßnahmen müssen dokumentiert sein. Eine Orientierung bieten die Checklisten der BG ETEM für viele Branchen.
Wer hilft mir dabei?
Das Gesetz verlangt die Beteiligung von Betriebsärzten und Fachkräften für Arbeitssicherheit. Ausnahme: Sie nehmen am Unternehmermodell teil und absolvieren entsprechende Seminare. Dann können Sie selbst entscheiden, ob Sie sich fachlichen Rat holen. Dabei sollten Sie die eigenen Beschäftigten beteiligen. Denn sie kennen ihren Arbeitsplatz. Wenn es einen Betriebsrat gibt, müssen Sie ihn anhören. Und schließlich: Die Expertinnen und Experten der BG ETEM helfen gern.