Viele Unternehmen werden von Sicherheitsfachkräften und Betriebsärzten betreut. Besonderes Augenmerk legen sie auf eine aktuelle Gefährdungsbeurteilung. Was aber machen jene Kleinbetriebe, die nicht in einem vorgegebenen Zeitbudget über diese Beratungskompetenz verfügen?
Unternehmerinnen und Unternehmer, die weniger als 51 Personen beschäftigen, können sich im Rahmen des Unternehmermodells selbst Kenntnisse aneignen, wie eine Gefährdungsbeurteilung erarbeitet wird. Dazu bieten verschiedene Ausbildungsträger Grund- und Aufbauseminare an, die von der BG ETEM fachlich betreut und finanziert werden. An den Seminaren müssen die „Chefs“ persönlich teilnehmen, da sie die Verantwortung für alle Tätigkeiten im Betrieb tragen.
Frank Göller, Leiter Aufsicht und Beratung der BG ETEM, erklärt: „Insbesondere die Fürsorge gegenüber den Beschäftigten zu Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz wird in den Seminaren des Unternehmermodells angesprochen.“
Dazu gehört auch der regelmäßige Sicherheits-Check aller Arbeitsplätze. Ziel der Gefährdungsbeurteilung ist es, dass der Betrieb sein System der Arbeitssicherheit selbst analysiert, die Gefährdungen für Leben und Gesundheit der Beschäftigten erkennt und entsprechend des Risikos praxisgerechte Maßnahmen zur Verhinderung von Schadensfällen ableitet. In den Seminaren stellen die Teilnehmer oft die Fragen:
- Welchen Nutzen bringt mir die Gefährdungsbeurteilung?
- Wie oft muss ich diesen Check wiederholen?
- Welche Hilfsmittel stehen mir zur Verfügung?
Die folgenden Hinweise sollen eine Antwort auf diese Fragen geben.
Arbeitskraft erhalten
In jeder Handwerkerzeitung ist der Fachkräftemangel ein Thema. In manch kleineren Betrieben liegt der Altersdurchschnitt der Belegschaft weit über 50 Jahre. Auszubildende werden händeringend gesucht. Jeder Ausfall einer Arbeitskraft – ob kurzfristig oder dauerhaft – muss mit immer größerem Aufwand kompensiert werden.
Die Gefährdungsbeurteilung kann helfen, auch versteckte Gefährdungen, die zu einem Unfall oder einer Krankheit führen könnten, frühzeitig zu erkennen und geeignete Maßnahmen zur Risikominimierung zu ergreifen. Sie ist damit das grundlegende Mittel der betrieblichen Prävention.
Kosten reduzieren
Nach Schätzungen kostet der unfall- oder krankheitsbedingte Ausfalltag eines Mit-arbeiters den Betrieb durchschnittlich400 Euro. Bei einem Sturzunfall infolge einer Stolperstelle am Fußboden können schnell zwei Wochen Arbeitsausfall zusammenkommen und damit Kosten im mittleren vierstelligen Bereich entstehen. Der Zeitaufwand für einen regelmäßigen Sicherheits-Check, bei dem die Gefährdung erkannt und beseitigt wird, ist dagegen gering.
Gesundes Arbeitsklima fördern
Die Gefährdungsbeurteilung bietet die beste Möglichkeit, alle Beteiligten in eine optimale Arbeitsorganisation einzubinden. Der Elektriker, die Bürofachkraft, der Mann an der Maschine oder die Außendienstmitarbeiterin, sie alle wissen am besten, wo Gefahren in ihrem Arbeitsumfeld lauern. Dieses Praxiswissen sollten die Verantwortlichen nutzen und als Unternehmer oder Führungskraft in die Gefährdungsbeurteilung einbeziehen.
Die Vorteile liegen auf der Hand: Die Mitarbeitenden fühlen sich mit ihren Problemen ernst genommen, versteckte Mängel können besser analysiert und abgestellt werden, gemeinsam besprochene Sicherheitsmaßnahmen lassen sich besser durchsetzen. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die gefragt und in Entscheidungsprozesse einbezogen werden, tragen zur Förderung eines gesunden Arbeitsklimas bei.
Psychische Belastungen beachten
Psychische Erkrankungen nehmen zu. Eine betriebliche Ursache können Kommunikationsprobleme zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern sein. Wenn der Chef oder die Chefin über die Köpfe der Fachleute, vielleicht sogar gegen deren Rat hinweg entscheidet, stört das auf Dauer den Betriebsfrieden. Innere Kündigung und Dienst nach Vorschrift können die Folge sein. So weit muss es nicht kommen.
Die Gefährdungsbeurteilung hat auch die psychischen Belastungen bei der Arbeit zu berücksichtigen. Diese Forderung wurde erst 2013 in das Arbeitsschutzgesetz ergänzend zu den „klassischen“ Gefährdungsfaktoren aufgenommen. Erfahrungen zeigen, dass die intensive Beschäftigung mit diesem Thema hilft, Spannungen zwischen Leitung und Belegschaft abzubauen, das Verständnis füreinander zu fördern und somit den Betriebsfrieden nachhaltig zu sichern.
Rechtssicherheit herstellen
Auch eine noch so umfassende Gefährdungsbeurteilung kann letztlich nicht alle Unfälle verhindern. Wo Menschen arbeiten, werden Fehler gemacht, die Ursache von Unfällen sein können. Eine Fehlerkultur im Unternehmen hilft, Schwachstellen frühzeitig zu erkennen und diese abzustellen. Kommt es doch zu einem Unfall, wird die Verantwortung der Führungskraft hinterfragt.
- Wie hätte der Unfall verhindert werden können?
- Waren die Gefährdungen und Risiken ausreichend bekannt und entsprechende Präventionsmaßnahmen vorhanden?
- Wann wurde die verletzte Person das letzte Mal unterwiesen?
Diesen Fragen müssen sich die Verantwortlichen stellen. Bei schweren Unfällen ermittelt sogar die Staatsanwaltschaft. Dann sollten zumindest folgende Dokumente vorgelegt werden können:
- eine aktuelle Gefährdungsbeurteilung,
- die Nachweise über die regelmäßige Unterweisung und
- der Prüfnachweis von unfallrelevanten Maschinen, Geräten, Anlagen oder Persönlicher Schutzausrüstung.
Aus den Unterlagen sollte erkennbar sein, dass der oder die Vorgesetzte des Unfallopfers alle Präventionsmöglichkeiten ausgeschöpft hatte, um das Schadensrisiko so gering wie möglich zu halten.