Wickelbildung ist bei vielen textilen Produktionsanlagen nicht nur ein Störfaktor im Produktionsprozess, sondern gleichzeitig eine wesentliche Unfallquelle. Das gilt besonders dann, wenn sich aus zwingenden technologischen Gründen die Anlage nicht einfach abschalten lässt, um die Störung zu beseitigen. Erfahrungsgemäß kann das bei Anlagen zur Chemiefasererzeugung der Fall sein. Dann muss der Arbeitgeber über die Gefährdungsbeurteilung verantwortungsbewusst festlegen, wie die Störung zu beheben ist (etwa bei stark reduzierter Geschwindigkeit und mit geeigneten Hilfsmitteln durch speziell qualifizierte Beschäftigte).
Auch eine Spinnvliesanlage des Sächsischen Textilforschungsinstituts e. V. (STFI), Chemnitz, war nicht vor dem Problem gefeit: An der Versuchsanlage traten immer wieder Wickel auf. Die Anlage weist produktionsübliche Dimensionen auf, ist aber schmaler und läuft etwas langsamer. Sie ist modular aufgebaut, sodass sich die kontinuierliche Spinnvliesproduktion (bestehend aus Extruder, Spinnturm, Verstreckkanal, Kalander und Wickler) je nach Aufgabenstellung durch weitere Aggregate ergänzen lässt. Dazu stehen etwa Aggregate zum mechanischen Verfestigen, Nassveredeln und Trocknen zur Verfügung.
Nicht einfach zu beheben
Unmittelbar bevor die Ware aufgewickelt wird, sorgen Rundmesser für einen Randbeschnitt. Diese laufen gegen eine Schneidwalze, die als Untermesser dient. Die Randstreifen werden direkt an der Schneidwalze abgesaugt. Bestimmte Vliesstoffe können an der Schnittkante verschmelzen und neigen dazu, Randstreifenwickel um die Schneidwalze zu bilden. Dieser Effekt tritt insbesondere bei geringen Flächenmassen und/oder nur leicht verfestigten Produkten mit schwankenden Randqualitäten auf.
Die Anlage aufgrund der Störung abzuschalten, würde den kontinuierlich ablaufenden Produktionsprozess unterbrechen und wäre – außer in Notfällen – nicht zweckmäßig. Ein Neustart erfordert, alle Vliesstoffreste zu entfernen und einen Anfahrvliesstoff an sämtlichen Antriebs- und Umlenkstellen entlang der gesamten Anlage einzulegen.
Einer Verringerung der Produktionsgeschwindigkeit sind aufgrund der Prozessstabilität sowie der besonderen Gefahr des Verklebens an anderen Anlagenteilen enge Grenzen gesetzt. Führt die zu lange Verweilzeit etwa zu einer Verklebung am Kalander, zieht das eine aufwendige Reinigung der Walzenoberfläche nach sich. Das bedeutet einen Produktions- oder auch Versuchszeitenausfall von bis zu einem Tag. Aus diesen Gründen wurden auftretende Wickel mit entsprechenden Messern beseitigt.
Gemeinsam zum Ziel
Es kam zu mehreren leichten Schnittverletzungen, als Beschäftigte versehentlich die scharfen Kanten der Schneidwalze berührten. Dabei handelte es sich zwar nicht um anzeigepflichtige Arbeitsunfälle, sie machten aber auf die Problematik aufmerksam. Denn sowohl beim Beseitigen der Wickel, als auch beim neuen Anfahren der Anlage entstehen Gefährdungen. Schließlich müssen Anlagenteile aufwendig mit Lösemittel gereinigt und die Ware erneut aufgelegt werden.
Daher haben die Forscher des STFI, gemeinsam mit den Mitarbeitern an der Anlage, in einem Brainstorming Ideen zusammengetragen und systematisch analysiert, wie sich Wickel sicher beseitigen oder gar vermeiden lassen. Nach einigen Versuchen zeigte sich, dass einfaches Abbürsten unmittelbar nach der Schneidzone eine einfache und tragfähige Lösung darstellte. Dazu wurden Bürsten an der Schneidwalze angebracht, die für unterschiedliche Arbeitsbreiten einstellbar sind und sich für Wartungs- und Einrichtzwecke wegschwenken lassen. Durch diese einfache Maßnahme treten Randstreifenwickel seitdem nicht mehr auf und Eingriffen zur Wickelbeseitigung wird vorgebeugt.
Martin Steiner