Mehr als 130 Teilnehmer aus der Gaswirtschaft folgten der Einladung der BG ETEM im September nach Düsseldorf, um sich über aktuelle Neuerungen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes in der Gasversorgung zu informieren und auszutauschen. Alle Vorträge der Fachtagung finden Sie im Internet unter dem Link am Ende des Artikels. Aus der Vielzahl der Themen hier eine kleine Auswahl.
Peter Grau, Vorsitzender des Branchenausschusses Energie und Wasserwirtschaft der BG ETEM, eröffnete die Fachtagung. Er wies darauf hin, dass sich in Zeiten der Liberalisierung der Energiemärkte und des Wandels hin zu regenerativen Energien auch die Gasnetzbetreiber neuen Herausforderungen stellen müssen. In Fragen der Arbeitssicherheit und des Gesundheitsschutzes stehe die BG ETEM den Netzbetreibern als kompetenter Partner zur Seite.
Neue Handlungshilfe
Im Sachgebiet Energie- und Wasserwirtschaft des DGUV Fachbereichs ETEM wurde die DGUV Information 203-092 „Arbeitssicherheit beim Betrieb von Gasanlagen – Handlungshilfe für die Gefährdungsbeurteilung“ erarbeitet. Sie ersetzt zukünftig die DGUV Regel 100-500 Kapitel 2.39 „Betreiben von Anlagen zur leitungsgebundenen Versorgung der Allgemeinheit mit Gas“.
Dr. Albert Seemann von der BG ETEM stellte die Inhalte vor. Die neue Information bietet den betrieblichen Vorgesetzten eine Hilfe für die Durchführung der Gefährdungsbeurteilung und für die Erfüllung von Vorgaben aus den staatlichen Arbeitsschutzvorschriften wie z. B. Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG), Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) und Gefahrstoffverordnung (GefStoffV), die speziell für den Betrieb von Gasanlagen und dort durchgeführter Tätigkeiten erforderlich sind.
Insbesondere für Wartungs- und Instandhaltungsarbeiten in Gasanlagen sind heute die Vorgaben aus der TRBS 1112 „Instandhaltung“ und TRBS 1112 Teil 1 „Explosionsgefährdungen bei und durch Instandhaltungsarbeiten – Beurteilung und Schutzmaßnahmen“ zu berücksichtigen.
Im Rahmen einer tätigkeitsbezogenen Gefährdungsbeurteilung müssen die besonderen Schutzmaßnahmen festgelegt werden. Bei Instandhaltungsarbeiten mit Explosionsgefährdungen sind die Schutzmaßnahmen z. B. in einem Erlaubnisschein oder einer speziellen Betriebsanweisung zu dokumentieren. Der Anlagenverantwortliche muss diese Dokumente erstellen.
Die Beschäftigten müssen über die Gefährdungen und die zu ergreifenden Schutzmaßnahmen unterwiesen werden. Ist bei der Durchführung der Arbeiten mit Explosionsgefährdungen zu rechnen, muss für die Dauer der Arbeiten eine angemessene Aufsicht gewährleistet sein. Die neue DGUV Information erscheint voraussichtlich im 4. Quartal 2018.
Bewährte Praxis
Für das Arbeiten an Gasleitungen im Rohrnetz haben sich tätigkeitsbezogene Gefährdungsbeurteilungen bewährt, die die Betrachtungseinheit der Baugrube (Arbeitsplatz) umfassen. Je nach Arbeitsauftrag, verwendeter Arbeitsmittel und örtlichen Bedingungen sind hierbei die vorliegenden Besonderheiten zu berücksichtigen, die spezifische Schutzmaßnahmen erfordern.
Ralf Tröger (Leiter Rohrleitungsbau, SPIE SAG GmbH) stellte ein geeignetes und in der Praxis bewährtes Konzept für eine tätigkeitsbezogene Gefährdungsbeurteilung vor. Hierbei bedient man sich spezieller Formblätter, die vor Ort auf der Baustelle bearbeitet werden können.
Abgefragt werden Schutzmaßnahmen zur Vermeidung von standardmäßig vorliegenden Gefährdungen auf der Rohrnetzbaustelle. Je nach Tätigkeit können weitere spezielle Gefährdungen vorliegen, die im Dokument ebenso wie die zur Gefährdungsvermeidung festgelegten Schutzmaßnahmen erfasst werden. Der Vergleich Soll-/Istzustand erfolgt vor Ort. Dieses Konzept ermöglicht die systematische Vorgehensweise bei der Durchführung der Gefährdungsbeurteilung auf der Rohrnetzbaustelle:
- Festlegen und Abgrenzen des Arbeitsbereiches
- Ermittlung der Gefährdungen
- Bewertung der Gefährdungen
- Festlegung von Maßnahmen
- Wirksamkeit überprüfen
- Dokumentation der Gefährdungsbeurteilung
- Organisatorische Maßnahmen zur Explosionssicherheit
Im Rahmen der Explosionssicherheit von Gasanlagen muss der Arbeitgeber neben den technischen Schutzmaßnahmen zum Explosionsschutz auch geeignete organisatorische Maßnahmen festlegen, um den sicheren Betrieb zu realisieren. Im Explosionsschutzdokument nach GefStoffV (zuletzt geändert 2016) sind diese Maßnahmen zu beschreiben. Vorhandene Explosionsschutzdokumente müssen gegebenenfalls bezüglich der organisatorischen Schutzmaßnahmen angepasst werden.
Die Eignung der festgelegten organisatorischen Maßnahmen sind im Rahmen der Prüfung der Explosionssicherheit nach BetrSichV Anhang 2, Abschnitt 3, Punkte 4.1 und 5.1 mit einzubeziehen. Hierzu zählen insbesondere
- Prüfungen von Anlagen in EX-Bereichen: z. B. Dichtheit, Explosionssicherheit, technische Schutzmaßnahmen, Ableitfähigkeit des Fußbodens, Gaswarngeräte und technische Lüftungseinrichtungen
- Unterweisungen: z. B. Eigenschaften von Gefahrstoffen, Durchführung spezieller Tätigkeiten in den Anlagen, Benutzung von PSA, Schutzmaßnahmen Explosionsgefährdungen
- Schriftliche Anweisungen und Arbeitsfreigaben: z. B. Betriebsanweisungen, schriftliches Freigabeverfahren für Schweißen, Schneiden und verwandte Verfahren
- Arbeiten unter Aufsicht bei Tätigkeiten, die zu Brand- und Explosionsgefährdungen führen können: Die Aufsicht muss zuverlässig sein und mit den auftretenden Gefährdungen und Schutzmaßnahmen bei den Tätigkeiten vertraut sein
- Spezielle Qualifikation von eigenem Personal und das von Fremdfirmen: z. B. für Instandhaltung in Gas-Druckregel- und Messanlagen Einsatz von Sachkundigen gemäß DVGW Arbeitsblatt G 495 „Gasanlagen – Betrieb und Instandhaltung“
- Koordination von Arbeiten: Abstimmung der Tätigkeiten beteiligter Firmen oder Arbeitsgruppen desselben Unternehmens, um eine gegenseitige Gefährdung auszuschließen
- Kennzeichnung der explosionsgefährdeten Bereiche an den Zugängen: Rauchen und das Verwenden von offenem Feuer und offenem Licht verboten; Arbeitsbereiche, in denen gefährliche explosionsfähige Atmosphäre auftreten kann, sind an den Zugängen zu kennzeichnen
- Regelung des Zutritts zu den explosionsgefährdeten Bereichen: Unbefugten ist das Betreten von Bereichen mit Explosionsgefährdungen zu verbieten. Auf das Verbot muss deutlich erkennbar und dauerhaft hingewiesen werden.
Für die Umsetzung der angeführten Maßnahmen sind die betrieblichen Vorgesetzten Anlagenbetrieb verantwortlich. Zu den angeführten Maßnahmen gab Willibert Winthagen (Gruppenleiter Bau, Betrieb und Instandhaltung Gasanlagen, RheinEnergie AG) einen umfassenden Überblick.
Dr. Albert Seemann