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Leime und Klebstoffe

Fester Halt garantiert

Auf einem Fließband in einer Buchbinderei liegen hintereinander Magazine. Im Hintergrund steht ein Facharbeiter an einer Maschine.

Geklebt, nicht gebunden: In einer Buchbinderei gehören Leime zu den wichtigsten Arbeitsstoffen

Die Begriffe „leimen“ und „kleben“ werden heute fast synonym benutzt: Es geht darum, zwei Flächen aus gleichen oder unterschiedlichen Materialien so zusammenzufügen, dass sie sich nur mit Kraft wieder trennen lassen. Der Klebstoff muss tief in die Rauigkeiten der zu verbindenden Oberflächen eindringen, um fest daran zu haften (Adhäsion). Weist der Klebstofffilm auch eine innere Festigkeit auf (Kohäsion), dann hat er seine Aufgabe erfüllt, die Verbindung hält.

Jeder Anwendungsbereich erfordert ganz unterschiedliche Klebstoffe – ob Buchbindung, Falzklebung, Etikettenproduktion, „End-of-Line“-Verarbeitung, Print Finishing, Papiersackherstellung oder auch die Produktion von Wellpappe oder Faltschachteln.

Leime und Klebstoffe – eine Übersicht

Nahezu alle Klebstoffe sind komplizierte chemische Verbindungen. Einige bestehen als Naturprodukte aus pflanzlichen Rohstoffen, wie „Stärkekleister“, oder aus tierischen Produkten, wie „Knochenleim“.

Eine wesentlich größere Vielfalt als die natürlichen bieten die synthetischen Klebstoffe. Ihre Wirkung beruht ebenso wie bei allen natürlichen Klebstoffen darauf, dass ein zuerst flüssiges Produkt erhärtet. Das funktioniert entweder durch Verdunsten von Lösemitteln oder Wasser, worin die eigentliche Klebsubstanz gelöst ist, oder indem ein Klebstoff erstarrt, der zuvor geschmolzen ist. All diese Klebstofftypen fasst man unter dem Oberbegriff physikalisch abbindende Klebstoffe zusammen.

Eine weitere wichtige Gruppe synthetischer Klebstoffe verändert sich während des Klebevorgangs chemisch. Diese Klebstofftypen werden als chemisch abbindende Klebstoffe bezeichnet. Der Klebstoff wird flüssig auf die jeweilige Oberfläche aufgebracht und „härtet aus“, wodurch der Klebefilm seine Festigkeit gewinnt. Dieses Aushärten geschieht in der Regel, indem sich Makromoleküle bilden, vergleichbar mit der Kunststoffherstellung. Den Prozess löst eine ganz bestimmte Chemikalie aus, die z. B. im Härter vorkommt, oder eine Reaktion mit der Luftfeuchtigkeit wie bei „Sekundenklebern“.

Klebstofftyp I – Physikalisch abbindende Klebstoffe

Stärke- und Dextrinklebstoffe

„Stärkekleister“ stellt man aus Kartoffel-, Mais- oder Weizenstärke her. Je nach Stärketyp und Zusätzen müssen sie vor der Verarbeitung erhitzt werden. Angewendet werden sie z. B. in der Wellpappenherstellung.

Dextrinklebstoffe entstehen, wenn man Stärke chemisch verändert. Diese Klebstoffe sind wasserlöslich. Druckereien und papierverarbeitende Betriebe nutzen sie hauptsächlich in der Kaschierung, Gummierung und Herstellung von Ordnern, Briefumschlägen, Tüten, Beuteln oder Säcken. Auch die Tapetenkleister gehören in diese Gruppe.

Dispersionsklebstoffe

„Weißleime“ stellen eine der wichtigsten Klebstoffgruppen im Bereich der Druckweiterverarbeitung dar. Ihre Funktionsweise beruht auf der Dispersion von ganz bestimmten synthetischen Kunststoffen: Diese sind als feste, unlösliche Stoffe in einem flüssigen Dispersionsmittel verteilt, in der Regel Wasser. Als dispergierte Kunststoffe dienen neben Polyvinylacetat (im EVA-Klebstoff) bspw. auch Polymerisate auf der Basis von Ethylen- und Acrylester-Vinylacetat. Nach Wasserabgabe vernetzt der Klebstofffilm, zum Teil beschleunigt durch Wärmezufuhr.

Die breite Palette verwendbarer Rohstoffe ermöglicht es, die Eigenschaften der Dispersionsklebstoffe in erstaunlichem Umfang zu variieren, je nachdem, welche Funktion der spezielle Anwendungsfall erfordert. Zu den Haupteinsatzgebieten zählen alle Bereiche der Buchbinderei, Druckweiterverarbeitung, Kaschierung sowie Herstellung von Ordnern, Briefumschlägen, Faltschachteln, Kartonagen, Tüten, Selbstklebeetiketten u. a. Lösemittelhaltige Klebstoffe spielen heute in der Buchbinderei eine eher nachrangige Rolle. Denn für die meisten früher üblichen Anwendungen ist es gelungen, wässrige Dispersionen oder Schmelzklebstoffe einzusetzen.

Konventionelle Schmelzklebstoffe

Dabei handelt es sich um lösemittelfreie Klebstoffe auf der Basis von Kunststoffen, etwa Polyethylen. Bei einer Verarbeitungstemperatur von 150 bis 180 °C werden diese Kunststoffe flüssig, benetzen die zu verklebenden Oberflächen und erzeugen einen festen, dauerelastischen Film. Verwendet werden sie vor allem bei der Klebebindung, der Vorsatzklebung, der Einklebung von Karten und Warenproben sowie der Herstellung von Hygieneartikeln, Faltschachteln oder Verpackungen.

Physikalisch abbindende Klebstoffe

Checkliste der wichtigsten Schutzmaßnahmen:

  • Hautkontakt vermeiden.
  • Vorsicht beim Umgang mit heißem Leim: Schutzhandschuhe und Schutzbrille tragen.
  • Leimbecken absaugen.
  • Verarbeitungstemperatur einhalten.
  • Betriebsanweisung/Unterweisung beachten.

 Das Foto zeigt ein Vorschmelzgerät in einer Buchbinderei.

Vorschmelzgerät

Gesundheitsgefahren

Von den Dispersionsklebstoffen gehen bei der üblichen Verarbeitung in der Branche Druck und Papierverarbeitung keine spezifischen Gesundheitsgefahren aus. Hautkontakt sollte aber vermieden werden. Dennoch gilt es, im Sinne des Arbeitsschutzes genauer hinzuschauen. Vielleicht sind Konservierungsstoffe beigemischt, die eine längere Lagerung ermöglichen? Sie könnten Allergiepotenzial haben. Ein Blick aufs Sicherheitsdatenblatt lohnt sich also, da die Klebstoffindustrie auch Alternativen anbietet.

Schmelzklebstoffe geben bei der vorgeschriebenen Verarbeitungstemperatur Dämpfe ab. Diese enthalten Bestandteile der Kunststoffe, etwa Wachse. Geruchsbelästigungen sind möglich, Gesundheitsschädigungen jedoch bisher nicht bekannt. Lediglich wenn die vorgesehene Arbeitstemperatur länger überschritten wird, lässt sich nicht ausschließen, dass gesundheitsschädliche Zersetzungsprodukte entstehen.

Es ist deshalb Aufgabe der Betriebsleitung, möglichen Gefahren nachzugehen, die z. B. Lösemittel oder Ausgasungen mit sich bringen. Die erforderlichen Schutzmaßnahmen finden sich im Sicherheitsdatenblatt. Die Maßnahmen müssen in einer Betriebsanweisung festgehalten und bei der Unterweisung besprochen werden.

Klebstofftyp II – Chemisch abbindende Klebstoffe

PUR-Klebstoffe

Eine moderne Klasse der Klebstoffe stellen die PUR-Klebstoffe dar, auch reaktive PUR-Schmelzklebstoffe oder PUR-Hotmelts genannt. Reaktive PUR-Schmelzklebstoffe sind Einkomponenten-Klebstoffe auf der Basis von monomeren Diisocyanaten (meistens MDI) und deren Präpolymeren. Bei Temperaturen von 80 bis 150 °C werden sie zu einem Polyurethan-Klebstofffilm (PUR, PU) verarbeitet.

Die Klebewirkung entsteht unmittelbar beim Abkühlen durch Erstarren sowie durch chemische Reaktion über einen Zeitraum von einigen Stunden bis Tagen. Reaktive PUR-Schmelzklebstoffe spielen zunehmend eine wichtige Rolle in der maschinellen Buch-Klebebindung.

Reaktive PUR-Schmelzklebstoffe in Druck und Papierverarbeitung

Bezeichnung Gehalt an monomerem MDI Verarbeitungstemperatur

Kennzeichnungsfrei

< 0,1 %

100 – 150 °C

Niedrigtemperatur

< 4 %

90 – 100 °C

Standard

< 4 %

100 – 150 °C

Einsatz in der Buchbindung

PUR-Schmelzklebstoff wird als Kerze in einem Foliensack oder einer Kartusche luftdicht verpackt geliefert. In einem speziellen Vorschmelzgerät verflüssigt sich der Klebstoff. Von dort gelangt er über beheizte Leitungen in das Leimwerk. Walzen und/oder Düsen bringen den heißen Klebstoff auf den Buchblock (Rücken- und Seitenbeleimung). Anschließend wird der Umschlag maschinell an den Buchblock gedrückt. Der Buchblock kann dann abgenommen und weiterverarbeitet werden.

Hier steht eine Maschine, wo der Leim verarbeitet wird. Ein Mitarbeiter mit weißen Handschuhen hält eine Unterlage mit beiden Händen fest.

Buchbinderei: ohne Leim nicht denkbar

Gesundheitsgefahren

PUR-Schmelzkleber vernetzen über die Isocyanatkomponenten (z. B. MDI). Beim Verarbeiten des heißen, flüssigen Klebstoffes können die monomeren Isocyanate auch als Dampf frei werden. Diese hochreaktiven Substanzen haben aufgrund ihrer gesundheitsgefährdenden Eigenschaften einen sehr niedrigen Arbeitsplatzgrenzwert. Menschen nehmen sie vorwiegend über die Atemwege auf, aber auch über die Haut.

Isocyanate können die Atemwege und die Haut reizen. Sie können die Lungenfunktion beeinträchtigen und sowohl eine allergische Atemwegs- als auch Hauterkrankung auslösen. Außerdem besteht der Verdacht, dass MDI Krebs erzeugen können. Daher ist es essenziell, Isocyanatdämpfe nur in möglichst geringem Umfang freizusetzen. Aber Achtung: Isocyanate haben keinen Geruch, es fehlt daher die Warnwirkung!

Wichtig ist, die Gefährdungen nicht nur beim Erwärmen und dem Klebevorgang selbst gering zu halten, sondern auch bei weiteren Tätigkeiten, in denen es zu Kontakt mit den Dämpfen kommen kann, wie dem Wechseln der Klebstofffässer oder Reinigungsarbeiten. Dazu dienen entsprechende Schutzmaßnahmen (siehe Infokasten „Physikalisch abbindende Klebstoffe“).

Die erforderlichen Maßnahmen zum Gesundheitsschutz der Beschäftigten sollten Betriebe mit dem Auftragssystem-Hersteller und dem Klebstofflieferanten zusammen festlegen.

PUR-Schmelzklebstoffe

Checkliste wichtiger Schutzmaßnahmen:

  • Schmelzklebstoff mit maximal 4 % MDI verwenden, besser kennzeichnungsfreie, emissionsarme Produkte mit einem Gehalt < 0,1 % MDI.
  • Angaben des Klebstoffherstellers zur Verarbeitungstemperatur beachten.
  • Klebstoff in für PUR geeigneten Vorschmelzgeräten und Auftragssystemen verarbeiten.
  • Absaugung am Auftragssystem einsetzen.
  • Vorschmelztemperatur unter 100 °C einstellen oder Absaugung beim Fasswechsel verwenden.
  • Überhitzung des Klebstoffes unbedingt vermeiden.
  • Temperaturregelung, Temperaturüberwachung und Absaugung regelmäßig prüfen.
  • Absaugung für ausgefahrene Klebstoffbecken einsetzen.
  • Räume ausreichend belüften.
  • Arbeitshandschuhe und Schutzbrille bei Spritzgefahr verwenden.
  • Hautkontakt vermeiden sowie geeigneten Hautschutz anwenden (spezielle Reinigungs- und Pflegeprodukte).
  • Betriebsanweisung/Unterweisung beachten.

Weitere Klebstoffe vom Typ II

Zweikomponenten-Epoxidharz-Klebstoffen kommt in der Metallverklebung und in der Bauwirtschaft eine große Bedeutung zu. Ihre Wirkung entsteht, indem zwei unterschiedliche, pastöse Ausgangsprodukte chemisch vernetzen und zu einer sehr festen Verbindung führen. Zur Anwendung kommen sie in der Branche Druck und Papierverarbeitung selten, z. B. bei der Schleifmittelherstellung oder im Siebdruck beim Aufspannen von Sieben.

Weitere, aus anderen Industriebereichen bekannte Klebstoffe, wie etwa die sogenannten Sekundenkleber, werden ebenfalls in Druckereien und der papierverarbeitenden Industrie nur in geringem Umfang eingesetzt.

 

Dr. Axel Mayer

→ info

Grundlegende und weiterführende Informationen zum Arbeitsschutz in Buchbinderei und Papierverarbeitung:

www.bgetem.de, Webcode 15925960

Ausgabe 4.2019

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