Werbung oder Wirkung?Hautschutz ist in vielen Berufen notwendig. Damit Präventionsmaßnahmen auch das gewünschte Ergebnis erzielen, ist ein strukturiertes Vorgehen erforderlich. Zudem sollten Unternehmer, Betriebsärzte und Sicherheitsfachkräfte die Werbeaussagen der Hersteller von Hautmitteln kritisch prüfen.https://etem.bgetem.de/2.2019/titelstories/werbung-oder-wirkunghttps://etem.bgetem.de/@@site-logo/logo_etem_magazin.png
Werbung oder Wirkung?
Hautschutz ist in vielen Berufen notwendig. Damit Präventionsmaßnahmen auch das gewünschte Ergebnis erzielen, ist ein strukturiertes Vorgehen erforderlich. Zudem sollten Unternehmer, Betriebsärzte und Sicherheitsfachkräfte die Werbeaussagen der Hersteller von Hautmitteln kritisch prüfen.
Hautmittel in der arbeitsmedizinischen Prävention
Sie schützt – ist aber auch selbst schutzbedürftig: Unsere Haut bietet perfekten Schutz gegen äußere Einflüsse.
Beim betrieblichen Hautschutz muss oft eine Betriebsärztin oder ein Betriebsarzt eingebunden werden. Dies gilt für
die arbeitsmedizinische Hautvorsorge,
die Mitwirkung an der Gefährdungsbeurteilung und
die Auswahl beruflicher Hautmittel, die als Kosmetika gelten.
Angesichts anhaltend vieler bestätigter Berufskrankheiten (BK 5101 – „schwere oder wiederholt rückfällige Hauterkrankungen“) sollten Unternehmen bei der Auswahl beruflicher Hautmittel nicht nur den Werbeaussagen der Hersteller vertrauen, sondern auch die Wirksamkeit und Hautverträglichkeit berücksichtigen, z. B. durch eine Herstelleranfrage mit dem Betriebsarzt.
Zahlen der BG ETEM zu bestätigten Fällen der BK 5101 machen deutlich, bei welchen Einwirkungen an eine arbeitsmedizinische Hautvorsorge zu denken ist. Die Grafik auf Seite 11 gibt für 2017 einen Überblick über die Auslöser beruflich (mit-)bedingter Hauterkrankungen. Demnach waren etwa zwei Drittel der bestätigten Fälle (62,2%) auf Gefahrstoffe mit kennzeichnungspflichtiger irritativer, toxischer, sensibilisierender oder hautschädigender Wirkung bzw. auf Schmierstoffe/Kühlschmierstoffe zurückzuführen. Nimmt man weitere Inhaltsstoffe und Konservierungsmittel hinzu, waren in fast drei Viertel der Fälle (71,2%) chemische Stoffe oder Gemische für die Hauterkrankung verantwortlich.
Auswahl beruflicher Hautmittel
Ob berufliche Hautmittel im Rahmen eines Hautschutzplans die Haut schützen oder die Regeneration der geschädigten Hornschicht fördern können, hängt ab von:
Wahl des Hautmittels (Zusammensetzung der Inhaltsstoffe entsprechend der Arbeitsstoffe oder des Hautzustands),
Zeitpunkt der Verabreichung (vor oder nach der hautbelastenden Tätigkeit),
Zielgruppe (Fokussierung auf Hautgesunde oder auf Arbeitnehmer mit sichtbar überbeanspruchter Haut),
gesundheitspädagogische Empfehlungen („Schütze Deine Haut mit Hautmitteln“, „Schütze Deine Haut durch umsichtiges Verhalten und pflege sie“).
Als Maßstab für Wirksamkeit und Verträglichkeit beruflicher Hautmittel sollten die Anforderungen der S1-Leitlinie „Berufliche Hautmittel“ der Arbeitsgemeinschaft für Berufs- und Umweltdermatologie (ABD) erfüllt sein:
Wirkung, vorzugsweise am Menschen, muss nachgewiesen sein;
frei von problematischen Duftstoffen,
frei von Farbstoffen,
frei von problematischen Konservierungsstoffen.
Bei der Anwendung von Sonnenschutzmitteln auf nicht bedeckten Hautarealen ist auf einen ausreichenden UV-A- und UV-B-Schutz zu achten. Die Produkte sollten mindestens einen Lichtschutzfaktor von 50 haben. Der Lichtschutzfaktor gibt an, um welchen Faktor sich die Eigenschutzzeit verlängert. Er ist unter anderem vom Hauttyp und der Pigmentierung abhängig. Wer bei der Arbeit schwitzt oder sich das Sonnenschutzmittel abreibt, muss häufiger nachcremen.
Wirksamkeit beruflicher Hautmittel
Im juristischen Sinne gelten berufliche Hautmittel als Kosmetika, also nicht als Medizinprodukte oder Arzneimittel. Sie werden in der Kosmetik-Verordnung (KosmetikV 2014) geregelt, ergänzt durch die EU Claims-Verordnung Nr. 655/2013. Eine angepriesene kosmetische Wirkung soll allgemein zugängliche Informationen zu Inhalt, Art, Wirkung, Eigenschaften oder Wirksamkeit eines kosmetischen Mittels enthalten, die durch verlässliche, relevante und eindeutige Nachweise gestützt werden. Dabei ist es den Herstellern überlassen, welche Methodik für die Begründung der angepriesenen Wirkung angewandt wird bzw. ob die gewählte Methodik angemessen und ausreichend ist.
Auslobungen von Hautschutzmitteln wie z. B. „flüssiger Handschuh“ konnten in der Vergangenheit allerdings weder durch Studien noch in der Praxis nachgewiesen werden. Auch die Vorstellung,
hydrophile Hautschutzmittel (Ö/W-Emulsionen, „Milch“) seien grundsätzlich beim Umgang mit fettlöslichen Arbeitsstoffen und
lipophile Hautschutzmittel (W/Ö-Emulsionen, „Butter“) seien beim Umgang mit wässrigen Arbeitsstoffen besonders wirksam,
gilt als wissenschaftlich widerlegt. Es ist ebenso fraglich, ob detaillierte tätigkeitsbezogene Darstellungen in vorgefertigten Hautschutzplänen einzelner Hautmittelhersteller einer hinreichenden Wirksamkeitsprüfung standhalten können.
In einem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) zu „feuchtigkeitsspendendem Gel-Reservoir“ (Aktenzeichen: I ZR 36/14, Urteil vom 28.01.2016) wurden die Anforderungen an eine Bewerbung von kosmetischen Mitteln klargestellt. Dabei wurde die Beweislast, dass ein kosmetisches Mittel tatsächlich die in der Werbung zugeschriebene Wirkung aufweist, dem Hersteller auferlegt. Es sei allerdings der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren, so das Gericht. Deshalb seien z. B. die hohen Anforderungen an wissenschaftliche Studien zur Prüfung von Arzneimitteln nicht auf Kosmetika übertragbar. Strengere Anforderungen gelten demnach nur, wenn eine fehlende Wirksamkeit z. B. zu einem Sicherheitsproblem führen würde oder die Werbung von einem Durchschnittsverbraucher so verstanden würde, dass eine Wirksamkeit wissenschaftlich nachgewiesen sei.
Zum Nachweis einer ausgelobten Schutzwirkung werden berufliche Hautschutzmittel häufig
in einer kontrollierten künstlichen Umgebung außerhalb eines lebenden Organismus geprüft (In-vitro-Verfahren) oder
mithilfe von kultiviertem biologischem Material untersucht, das einem lebenden Organismus entnommen wurde (Ex-vivo-Verfahren).