Werbung oder Wirkung?

Hautschutz ist in vielen Berufen notwendig. Damit Präventionsmaßnahmen auch das gewünschte Ergebnis erzielen, ist ein strukturiertes Vorgehen erforderlich. Zudem sollten Unternehmer, Betriebsärzte und Sicherheitsfachkräfte die Werbeaussagen der Hersteller von Hautmitteln kritisch prüfen.
Hautmittel in der arbeitsmedizinischen Prävention

Dieses Bild zeigt eine ölverschmierte Hand, die dabei ist große Schrauben fest zu drehen.

Sie schützt – ist aber auch selbst schutzbedürftig: Unsere Haut bietet perfekten Schutz gegen äußere Einflüsse.

Beim betrieblichen Hautschutz muss oft eine Betriebsärztin oder ein Betriebsarzt eingebunden werden. Dies gilt für

  • die arbeitsmedizinische Hautvorsorge,
  • die Mitwirkung an der Gefährdungsbeurteilung und
  • die Auswahl beruflicher Hautmittel, die als Kosmetika gelten.

Angesichts anhaltend vieler bestätigter Berufskrankheiten (BK 5101 – „schwere oder wiederholt rückfällige Hauterkrankungen“) sollten Unternehmen bei der Auswahl beruflicher Hautmittel nicht nur den Werbeaussagen der Hersteller vertrauen, sondern auch die Wirksamkeit und Hautverträglichkeit berücksichtigen, z. B. durch eine Herstelleranfrage mit dem Betriebsarzt.

Zahlen der BG ETEM zu bestätigten Fällen der BK 5101 machen deutlich, bei welchen Einwirkungen an eine arbeitsmedizinische Hautvorsorge zu denken ist. Die Grafik auf Seite 11 gibt für 2017 einen Überblick über die Auslöser beruflich (mit-)bedingter Hauterkrankungen. Demnach waren etwa zwei Drittel der bestätigten Fälle (62,2%) auf Gefahrstoffe mit kennzeichnungspflichtiger irritativer, toxischer, sensibilisierender oder hautschädigender Wirkung bzw. auf Schmierstoffe/Kühlschmierstoffe zurückzuführen. Nimmt man weitere Inhaltsstoffe und Konservierungsmittel hinzu, waren in fast drei Viertel der Fälle (71,2%) chemische Stoffe oder Gemische für die Hauterkrankung verantwortlich.

Auswahl beruflicher Hautmittel

Ob berufliche Hautmittel im Rahmen eines Hautschutzplans die Haut schützen oder die Regeneration der geschädigten Hornschicht fördern können, hängt ab von:

  • Wahl des Hautmittels (Zusammensetzung der Inhaltsstoffe entsprechend der Arbeitsstoffe oder des Hautzustands),
  • Zeitpunkt der Verabreichung (vor oder nach der hautbelastenden Tätigkeit),
  • Zielgruppe (Fokussierung auf Hautgesunde oder auf Arbeitnehmer mit sichtbar überbeanspruchter Haut),
  • gesundheitspädagogische Empfehlungen („Schütze Deine Haut mit Hautmitteln“, „Schütze Deine Haut durch umsichtiges Verhalten und pflege sie“).

Als Maßstab für Wirksamkeit und Verträglichkeit beruflicher Hautmittel sollten die Anforderungen der S1-Leitlinie „Berufliche Hautmittel“ der Arbeitsgemeinschaft für Berufs- und Umweltdermatologie (ABD) erfüllt sein:

  • Wirkung, vorzugsweise am Menschen, muss nachgewiesen sein;
  • frei von problematischen Duftstoffen,
  • frei von Farbstoffen,
  • frei von problematischen Konservierungsstoffen.

Bei der Anwendung von Sonnenschutzmitteln auf nicht bedeckten Hautarealen ist auf einen ausreichenden UV-A- und UV-B-Schutz zu achten. Die Produkte sollten mindestens einen Lichtschutzfaktor von 50 haben. Der Lichtschutzfaktor gibt an, um welchen Faktor sich die Eigenschutzzeit verlängert. Er ist unter anderem vom Hauttyp und der Pigmentierung abhängig. Wer bei der Arbeit schwitzt oder sich das Sonnenschutzmittel abreibt, muss häufiger nachcremen.

Wirksamkeit beruflicher Hautmittel

Im juristischen Sinne gelten berufliche Hautmittel als Kosmetika, also nicht als Medizinprodukte oder Arzneimittel. Sie werden in der Kosmetik-Verordnung (KosmetikV 2014) geregelt, ergänzt durch die EU Claims-Verordnung Nr. 655/2013. Eine angepriesene kosmetische Wirkung soll allgemein zugängliche Informationen zu Inhalt, Art, Wirkung, Eigenschaften oder Wirksamkeit eines kosmetischen Mittels enthalten, die durch verlässliche, relevante und eindeutige Nachweise gestützt werden. Dabei ist es den Herstellern überlassen, welche Methodik für die Begründung der angepriesenen Wirkung angewandt wird bzw. ob die gewählte Methodik angemessen und ausreichend ist.

Auslobungen von Hautschutzmitteln wie z. B. „flüssiger Handschuh“ konnten in der Vergangenheit allerdings weder durch Studien noch in der Praxis nachgewiesen werden. Auch die Vorstellung,

  • hydrophile Hautschutzmittel (Ö/W-Emulsionen, „Milch“) seien grundsätzlich beim Umgang mit fettlöslichen Arbeitsstoffen und
  • lipophile Hautschutzmittel (W/Ö-Emulsionen, „Butter“) seien beim Umgang mit wässrigen Arbeitsstoffen besonders wirksam,

gilt als wissenschaftlich widerlegt. Es ist ebenso fraglich, ob detaillierte tätigkeitsbezogene Darstellungen in vorgefertigten Hautschutzplänen einzelner Hautmittelhersteller einer hinreichenden Wirksamkeitsprüfung standhalten können.

In einem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) zu „feuchtigkeitsspendendem Gel-Reservoir“ (Aktenzeichen: I ZR 36/14, Urteil vom 28.01.2016) wurden die Anforderungen an eine Bewerbung von kosmetischen Mitteln klargestellt. Dabei wurde die Beweislast, dass ein kosmetisches Mittel tatsächlich die in der Werbung zugeschriebene Wirkung aufweist, dem Hersteller auferlegt. Es sei allerdings der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren, so das Gericht. Deshalb seien z. B. die hohen Anforderungen an wissenschaftliche Studien zur Prüfung von Arzneimitteln nicht auf Kosmetika übertragbar. Strengere Anforderungen gelten demnach nur, wenn eine fehlende Wirksamkeit z. B. zu einem Sicherheitsproblem führen würde oder die Werbung von einem Durchschnittsverbraucher so verstanden würde, dass eine Wirksamkeit wissenschaftlich nachgewiesen sei.

Zum Nachweis einer ausgelobten Schutzwirkung werden berufliche Hautschutzmittel häufig

  • in einer kontrollierten künstlichen Umgebung außerhalb eines lebenden Organismus geprüft (In-vitro-Verfahren) oder
  • mithilfe von kultiviertem biologischem Material untersucht, das einem lebenden Organismus entnommen wurde (Ex-vivo-Verfahren).
mensch & arbeit
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Diese kreisrunde farbige Illustration zeigt anhand von Prozentzahlen "Hautgefährdende Einwirkungen".

Hautgefährdende Einwirkungen: Prozentuale Verteilung im Jahr 2017

Die mit diesen Methoden erhaltenen Testergebnisse zeigen jedoch nur Teilaspekte einer möglichen Schutzwirkung auf, da die physiologischen Effekte im lebenden Organismus wesentlich komplexer sind. Eine entzündliche Hautreaktion mit Weitstellung der Gefäße und Einwanderung von Entzündungszellen kann so nicht simuliert werden. Hierzu sind In-vivo-Verfahren erforderlich.

In-vivo ist besser

Als best practice fordert die ABD S1-Leitlinie „Berufliche Hautmittel“ daher den Wirksamkeitsnachweis von beruflichen Hautschutzmitteln vorzugsweise mit In-vivo-Verfahren z. B. einem wiederholten Irritationsmodell an menschlichen Probanden. Die bisher in wiederholten In-vivo-Irritationstests geprüften Hautschutzmittel waren meist nur gegen bestimmte Irritanzien oder ein Spektrum von Irritanzien mit ähnlichen Eigenschaften wirksam. Die Ergebnisse unterstreichen daher, dass ein diversifizierter Hautschutz sinnvoll und eine generelle Schutzauslobung problematisch ist.

Wegen der ungeklärten bzw. eingeschränkten Aussagefähigkeit der Ergebnisse von In-vitro- und Ex-vivo-Methoden sollte die Wirksamkeitsprüfung von Hautschutzmitteln besser mit geeigneten In-vivo-Methoden durchgeführt werden. Dies gilt vor allem für Hautschutzmittel, die den Anspruch erheben, vor hautirritierenden Arbeitsstoffen zu schützen. In den DGUV-Forschungsprojekten FP 243, FP 275 und FP 276 wurden verschiedene In-vivo-Testverfahren evaluiert, die den Herstellern von beruflichen Hautmitteln für eine Wirksamkeitsprüfung zur Verfügung stehen.

Dr. Monica Meyn

Dieses Bild zeigt eine vergrößerte Hand auf der zwischen Zeigefinger und Mittelfinger eine Paste aufgetragen ist. Daneben steht die geöffnete Dose der Paste.

Wenn die Haut bei der Arbeit regelmäßig größerer Belastung ausgesetzt ist, muss sie richtig gereinigt und auf geeignete Weise gepflegt werden.

In 5 Schritten zum richtigen Hautschutz

1. Gefährdungsbeurteilung

Im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung ist zu klären, ob und welche gesundheitlichen Risiken bei Tätigkeiten mit Hautkontakt gegenüber bestimmten Stoffen bestehen und welche Maßnahmen zum Gesundheitsschutz zu treffen sind. Wird eine Hautgefährdung festgestellt, müssen den mit der arbeitsmedizinischen Vorsorge beauftragten Ärztinnen und Ärzten alle erforderlichen Auskünfte über die Arbeitsplatzverhältnisse und den Anlass einer Untersuchung von Beschäftigten mitgeteilt und eine Begehung des Arbeitsplatzes ermöglicht werden. Eine Gefährdungsbeurteilung der Hautexposition nach der Technischen Regel für Gefahrstoffe (TRGS) 401 umfasst u. a.:

  • Feuchtarbeit
  • Hautgefährdende Stoffe
  • Hautresorptive Gefahrstoffe
  • Irritativ wirkende Arbeitsstoffe (EUH 066)
  • Ermittlung tätigkeitsbezogener Informationen
  • Zuordnung zu Gefährdungskategorien (gering-mittel-hoch)

2. STOP-Prinzip

Aus den ermittelten Gefährdungen werden geeignete Schutzmaßnahmen in dieser Reihenfolge abgeleitet:

  • S: Substitution,
  • T: Technische Maßnahmen,
  • O: Organisatorische Maßnahmen
  • P: Persönliche Schutzmaßnahmen.

Eine beispielhafte Substitution wäre der Ersatz eines hautgefährdenden Stoffes durch einen weniger gefährdenden Stoff. Technische Schutzmaßnahmen sind z. B. automatisierte geschlossene Anlagen, Kapselung oder die Vermeidung des Hautkontaktes durch Arbeitsgeräte. Zu den organisatorischen Schutzmaßnahmen zählen z. B. Wechselkleidung, die Reinigung kontaminierter Flächen und Geräte, die Trennung von Arbeitsbereichen. Zu den Persönlichen Hautschutzmaßnahmen zählen Schutzhandschuhe und berufliche Hautmittel. Bei Handkontakt z. B. mit Gefahrstoffen müssen Chemikalienschutzhandschuhe getragen werden – aber nur, wenn keine Unfallgefährdung durch bewegte Maschinenteile besteht.

3. Hautschutzplan

In Unternehmen finden sich immer wieder Hautschutzpläne, die von Hautmittelherstellern erstellt wurden. Solche Pläne gehen von einer gesunden Haut der Beschäftigten aus und können die tatsächliche Hautgefährdung oft nicht hinreichend berücksichtigen. In der arbeitsmedizinischen Hautvorsorge können dagegen sowohl tätigkeitsspezifische Anforderungen an den Hautschutz als auch individualmedizinische Aspekte bei den Beschäftigten berücksichtigt werden.

  1. vor der Arbeit: Spezieller Hautschutz
  2. während der Arbeit: Hautreinigung
  3. nach der Arbeit: Hautpflege

Geeignete Produkte sollen vor Arbeitsbeginn und während der Arbeit angewandt werden. Die eigentlichen Hautschutzmittel werden ergänzt durch Hautreinigungsmittel, die Schmutz und aggressive Substanzen ohne größere Hautirritation (mit hautverträglichen Tensiden) von der Haut entfernen sollen, sowie durch Hautpflegemittel (Regeneration der Hautbarriere).

4. Unterweisen

Damit Beschäftigte wissen, wie sie ihre Haut bei der Arbeit schützen müssen, brauchen sie eine arbeitsplatz- und tätigkeitsbezogene Unterweisung. Unter betriebsärztlicher Mitwirkung erhalten die Beschäftigten Informationen über Hautgefährdungen und Schutzmaßnahmen.

Vor der Tätigkeit: Hautschutz auftragen

  1. Hände waschen; vor dem Eincremen Uhren, Ringe und Armbänder ablegen.
  2. Eine haselnussgroße Menge Hautschutzmittel auf die sauberen Hände bzw. den Handrücken auftragen.
  3. Das Mittel gleichmäßig auftragen.
  4. Fingerzwischenräume eincremen.
  5. Nagelfalze und Fingerkuppen nicht vergessen. Den Rest für Handinnenflächen und -gelenke verwenden.

Nach der Tätigkeit: Haut reinigen

  1. Reinigungsmittel sparsam dosieren.
  2. Gleichmäßig auf den Händen, auch zwischen den Fingern und an den Kuppen, verteilen.
  3. Dreck mit warmem Wasser abwaschen.
  4. Hände mit reichlich Wasser abspülen.

5. Arbeitsmedizinische Hautvorsorge

Wenn Hautgefährdungen im Betrieb festgestellt werden, ist arbeitsmedizinische Vorsorge nach Vorgaben der ArbMedVV zu veranlassen oder anzubieten. Es gibt

  • Pflichtvorsorge: Das Unternehmen ist verpflichtet, diese Vorsorge bei Tätigkeiten mit gelisteten hautgefährdenden Gefahrstoffen zu veranlassen, wenn der Arbeitsplatzgrenzwert nicht eingehalten wird oder eine wiederholte Exposition bei hautresorptiver, krebserzeugender, keimzellmutagener Wirkung nicht ausgeschlossen werden kann. Weiterhin bei mehr als vier Stunden Feuchtarbeit. Die Tätigkeiten dürfen nur nach vorheriger Pflichtvorsorge durchgeführt wurde.
  • Angebotsvorsorge: Das Unternehmen bietet eine Vorsorge an, die Beschäftigte annehmen können. Sie ist sinnvoll beim Auftreten von Hauterkrankungen im Betrieb oder bei Anhaltspunkten für eine vergleichbare Gefährdung, zudem bei über zwei Stunden Feuchtarbeit.
  • Wunschvorsorge: Arbeitsmedizinische Beratung und Untersuchung auf Wunsch.

→info

Weitere Informationen zum Thema unter

  • https://hautschutz.bgetem.de (Portal zu Hand- und Hautschutz der BG ETEM)
  • MB003 „Gesunde Haut am Arbeitsplatz“, www.bgetem.de, Webcode M18519401
  • BAuA – Arbeitsmedizinische Regeln
  • BAuA – Liste der Gefahrenhinweise, ergänzenden Gefahrenmerkmale und ergänzenden Kennzeichnungselemente
  • Gesunde Haut – Auswahl von beruflichen Hautmitteln, www.auva.at
  • Verordnung (EU) Nr. 655/2013 zur Festlegung gemeinsamer Kriterien zur Begründung von Werbeaussagen im Zusammenhang mit kosmetischen Mitteln
  • Verordnung über kosmetische Mittel (KosmetikV 2014)
  • Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV 2016)
  • S1-Leitlinie „Berufliche Hautmittel“ der Arbeitsgemeinschaft für Berufs- und Umweltdermatologie (ABD)
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  • Boris Dunkel, Dr. Michael Krause, Stefan Thissen (Deutscher Fachverlag GmbH, Mainzer Landstraße 251, 60326 Frankfurt am Main)

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