Deutlich im Dienst

Viele Unternehmen wollen ihren Beschäftigten mobile Arbeit ermöglichen, sind wegen der Rechtslage aber noch zurückhaltend. Klar scheint: Unfallopfer müssen erkennbar „betriebsdienlich“ im Einsatz gewesen sein.
Versicherungsschutz bei mobiler Arbeit

Eine junge Frau mit heller Jacke sitzt im Zug und arbeitet mit einem Laptop. Sie lächelt in Richtung des Monitors.

Im Zug am Laptop arbeiten: Kein ungewöhnlicher Anblick – aber auch ein Fall für die Unfallversicherung?

ie Arbeitswelt der Zukunft wird voraussichtlich anders aussehen als heute. Die Weiterentwicklung moderner Arbeitsmittel wie Notebooks und Tablets führt zu neuen Organisationsmöglichkeiten für Unternehmen: Von allerorts sind Zugriffe auf unternehmenseigene Daten möglich. Virtuelle Arbeitsplattformen verhelfen zu Zeitersparnissen und dezentraler Teamarbeit. Zudem fordern viele Beschäftigte höhere Flexibilität sowie eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Freizeit. Da ist es praktisch, wenn Arbeitsaufträge auch im Café, im Zug oder im Park erledigt werden können.

Mobile Arbeit, auch „mobile working“ genannt, ist dadurch geprägt, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von nahezu jedem Ort außerhalb des Büros oder des Home-Office-Arbeitsplatzes mithilfe elektronischer portabler Geräte auf ihre Arbeitsunterlagen zugreifen können. Mobile Arbeit geht damit über „Telearbeit“ hinaus, bei der Arbeitsplätze zu Hause bei den Beschäftigten eingerichtet werden.

Unternehmen erhoffen sich davon eine höhere Zufriedenheit und Leistungsfähigkeit ihrer Arbeitnehmer. Doch was bedeutet mobile Arbeit für den Versicherungsschutz bei einem Arbeits- oder Wegeunfall?

Der grundsätzliche Versicherungsschutz

Bislang fehlt es noch an einer gesicherten Rechtsprechung zum Versicherungsschutz bei mobiler Arbeit. Rahmenbedingungen haben sich daher noch nicht etabliert. Für die Entscheidung, ob eine entsprechende Tätigkeit unfallversichert ist, sind die Vorgaben des für die Unfallversicherung maßgeblichen Sozialgesetzbuchs VII heranzuziehen.

Grundsätzlich greift der gesetzliche Unfallversicherungsschutz für Beschäftigte, wenn sie eine versicherte Tätigkeit ausüben und dabei einen Unfall erleiden. Die Handlungstendenz der oder des Versicherten im Moment des Unfalls muss darauf ausgerichtet sein, dem Arbeitgeber (Unternehmen) zu dienen. Diese Handlungstendenz muss durch die objektiven Umstände des Einzelfalls, also von außen erkennbar, bestätigt werden.

Auch bei mobiler Arbeit besteht während einer betriebsdienlichen Tätigkeit grundsätzlich Unfallversicherungsschutz. Versichert sind Tätigkeiten, die Arbeitnehmer im Interesse ihres Arbeitgebers ausüben und die von diesem akzeptiert bzw. nicht ausdrücklich untersagt werden – unabhängig von einer räumlichen Arbeitsstätte oder den üblichen Arbeitszeiten. Der Versicherungsschutz ist eng auf die auszuübende Tätigkeit selbst begrenzt; er erstreckt sich nicht auf davon abweichende Handlungen.

Besonderheiten für den Unfallversicherungsschutz bei mobiler Arbeit

Die Grundsätze des Unfallversicherungsschutzes stammen aus einer Zeit, in der Deutschland eine Industriegesellschaft war. Die maschinelle Erzeugung von Gütern und Dienstleistungen machte den Hauptteil der Volkswirtschaft aus. Arbeit fand an Produktionsorten statt, an denen der Arbeitgeber für alle Gefahren verantwortlich war – und somit auch für den Gesundheitsschutz seiner Mitarbeiter.

Beim mobilen Arbeiten wählt die oder der Beschäftigte den Arbeitsplatz, ohne dass der Arbeitgeber Einfluss auf mögliche Gefahren nehmen könnte. In der aktuellen Rechtsprechung zu Home-Office-Fällen – nicht zu mobiler Arbeit – wird für die Frage des Versicherungsschutzes auf die konkrete Verrichtung abgestellt: Ist diese betriebsdienlich, so ist die Tätigkeit versichert – unabhängig davon, ob sich ein Unfall in einer hauptsächlich privat oder dienstlich genutzten Räumlichkeit ereignet.

Zudem kann eine fehlende Definition von mobiler Arbeit die Unfallversicherungsträger zukünftig vor Schwierigkeiten stellen – insbesondere, wenn es um die im Unfallversicherungsrecht geforderten Beweismaßstäbe geht. Ob eine versicherte Tätigkeit vorliegt, muss nach Rechtsprechung des Bundessozialgerichts mit Gewissheit (sogenannter Vollbeweis) bewiesen sein.

Schwierigkeiten können sich auch bei der Abgrenzung von betriebsdienlicher und privater Tätigkeit ergeben: Kann bei einer Tätigkeit außerhalb eines Bürogebäudes immer von einer Tätigkeit für den Betrieb ausgegangen werden, wenn der Arbeitnehmer ein dienstliches Notebook mitführt? So hat beispielsweise der Aufenthalt im Park oder Freibad bei objektiver Betrachtung für Außenstehende zunächst den Anschein einer privaten Tätigkeit. Entsprechend wird für den Nachweis einer versicherten Tätigkeit mehr erforderlich sein als die Mitteilung, im Gartenlokal mit dem Notebook gearbeitet und dabei einen Unfall erlitten zu haben.

Noch schwieriger wird es sein, den Nachweis eines Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und den Wegen zum oder vom mobilen Arbeitsort zu führen. Allein ein dienstliches Notebook im Auto wird aller Voraussicht nach nicht ausreichend sein, um die Handlungstendenz objektiv feststellen zu können. Auch Wege zur Nahrungsaufnahme zur Toilette oder zu privat genutzten Örtlichkeiten werden nicht einfach zu beurteilen sein. Die Sozialgerichte fordern für diese Konstellationen schon heute einen engen Zusammenhang zur betrieblichen Tätigkeit.

Sollten die Ermittlungen der Berufsgenossenschaft ohne Vollbeweis für eine versicherte Tätigkeit enden, darf die gesetzliche Unfallversicherung keine Leistungen erbringen.

Herausforderung: Rechtssicherheit schaffen

Wie können Unternehmen bei einem Unfall während einer mobilen Arbeit helfen, einen fehlenden Beweis auszuschließen? Dazu empfiehlt es sich, die Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer über mobile Arbeit grundsätzlich in den Arbeitsvertrag aufzunehmen. Klare Regelungen des Arbeitgebers können helfen, die besondere Situation der mobilen Arbeit zu beschreiben: Schriftliche Vereinbarungen zu möglichen Arbeitsorten und zur (telefonischen) Erreichbarkeit dürften das Erkennen eines Zusammenhangs mit der versicherten Tätigkeit erleichtern.

Die Beweisführung für einen versicherten Arbeitsweg dürfte z. B. durch das Festlegen von maximalen Entfernungen vom Wohnort und von festen Arbeitszeiten einfacher werden. Im Zweifelsfalle hilfreich ist die Vorlage entsprechender Protokolle und Dokumente. Auch technische Nachweise über eine Anmeldung des Versicherten zu den unternehmenseigenen IT-Systemen zum Unfallzeitpunkt können helfen, Zweifel an einer versicherten Beschäftigung auszuräumen.

Trotz dieser Hilfestellungen können die Berufsgenossenschaften und Unfallkassen nur unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls und auf Grundlage der aktuell gültigen Sach- und Rechtslage verbindlich entscheiden, ob ein Arbeitsunfall vorliegt. Sie erwarten daher mit großem Interesse die ersten Entscheidungen der Sozialgerichte und hoffen hierbei auf eine allgemein verständliche und nachvollziehbare Ausrichtung.

Hannah Schnitzler

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