Hängepartie

Immer wieder kommt es an Hubarbeitsbühnen zu schweren Verletzungen. Damit Beschäftigte im Fall eines Unfalls schnell versorgt werden können, sollten vor Beginn der Arbeiten Vorsichtsmaßnahmen beachtet und Kollegen informiert werden.
Unfall auf Hubarbeitsbühne

Diese Illustration zeigt einen Facharbeiter, der sich auf der Hubarbeitsbühne lebensgefährliche Quetschverletzungen zuzog. Sein Kollege, der an dem anderen Ende der Hubarbeitsbühne steht, rettete ihm das Leben.

Davongekommen: Bei der Arbeit auf der Hubarbeitsbühne zog sich Frank Küpper (links) lebensgefährliche Quetschverletzungen zu. Sein Arbeitskollege (rechts) rettete ihm das Leben.

Frank Küpper (Name von der Redaktion geändert) bewegt sich auf einer Hubarbeitsbühne in einer Werkshalle, um Datenleitungen zu verlegen. Dabei will er die Bühne an einer Heizung vorbeiführen, ohne die Leitungen zu beschädigen. Er lehnt sich über den Fahrerkorb, um zu sehen, dass er an der Heizung vorbeikommt. Dabei übersieht er ein weiteres Heizelement, das an einer Kette hängt und wird am Hals-/Kopfbereich eingequetscht.

Der Beschäftigte lässt den Bedienjoystick los und ringt nach Luft. Ihm wird schwindelig und er bekommt Todesangst. Mit dem rechten Fuß versucht er, die Fußfreigabe zu finden, um die Bühne herunterzusteuern.

Als er das Fußpedal schließlich erfassen kann, berührt er versehentlich den Joystick und der Korb fährt noch etwas weiter hinauf.

Frank Küpper zieht sich Quetschungen an Kopf und Hals zu und verliert sein Bewusstsein. Sein Arbeitskollege Ahmad Chadli (Name geändert) bemerkt den Vorfall und glaubt zunächst an einen Scherz seines Kollegen. Schnell wird ihm aber bewusst, dass es ernst ist. Er verlässt seinen Hebebühnen-Korb und schafft es, die Bühne seines verletzten Kollegen herunterzulassen. Dabei muss er die Heizung etwas anheben. Chadli schüttelt Frank Küpper so stark, dass er das Bewusstsein wiedererlangt. Schließlich gelingt es Chadli, Küpper mit der Hebebühne herabzulassen, sodass dieser sich auf den Boden setzen kann.

Wenige Minuten später kümmern sich die herbeigerufenen Rettungskräfte um Küpper. Dann wird er ins Krankenhaus eingeliefert und geröntgt.

Frank Küpper hatte großes Glück, weil ein Kollege in der Nähe war und sehr schnell helfen konnte. Ohne schnelle Hilfe hätte der Unfall tödlich geendet. Deshalb müssen bereits bei der Planung der Arbeiten technische und organisatorische Sicherungsmaßnahmen festgelegt werden.

Wie Erstversorgung bewertet wird

Erstversorgung   Bewertungsziffer EV

Kurz

weniger als 5 Minuten

0

Mittel

5 bis 10 Minuten

1

Lang

10 bis 15 Minuten

2

betrieb & praxis
Elektro Feinmechanik, Energie Wasserwirtschaft
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Technische Maßnahmen: Es sind mittlerweile Hubarbeitsbühnen mit einem umlaufenden Schutzbügel um die Bedienelemente auf dem Markt, die sich in die entgegengesetzte Richtung (Reversierbewegung) bewegen, wenn der Bediener auf den Schutzbügel gedrückt wird. Versuche mit Assistenzsystemen, die die Umgebung des Arbeitskorbs ähnlich eines Todwinkelassistenten beim Kfz überwachen, sind in Entwicklung.

Organisatorische Maßnahmen: Solange die Assistenzsysteme die Beobachtung der Umgebung noch nicht übernehmen, muss der Bediener den Raum in Bewegungsrichtung des Korbes selbst beobachten. Auch wenn es trivial erscheint: Bei allen uns bekannten Unfällen, bei denen der Bediener eingeklemmt wurde, hatte der Bediener nicht in die Bewegungsrichtung geschaut und deshalb Hindernisse nicht wahrgenommen.

Dennoch ist auch für die Zukunft nicht auszuschließen, dass der Bediener einer Hubarbeitsbühne eingeklemmt wird und dadurch handlungsunfähig ist. Dann hängt sein Überleben davon ab, dass Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter am Boden in der Lage sind, den an jeder Hubarbeitsbühne vorhandenen Notablass zu bedienen.

Dabei gibt es jedoch große Unterschiede in der Betätigungslogik. Sie reicht vom einfachen Ziehen eines Hebel zum Öffnen des Senkventils bei Scherenhubarbeitsbühnen bis zum Betätigen mehrerer Ventile an komplexen Gelenkteleskopbühnen. Deshalb muss der Bediener, der „seine“ Bühne kennt, im eigenen Interesse einen Kollegen in die konkrete Funktionsweise des jeweiligen Notablasses einweisen.

Dies bedeutet auch, möglichst nie allein zu arbeiten, obwohl Arbeiten mit Hubarbeitsbühnen meist nicht sogenannte gefährliche Arbeiten sind. Bei diesen sind Alleinarbeit bzw. eine Arbeit ohne den Einsatz von Personen-Notsignal-Anlagen verboten. Einzelheiten dazu sind in der DGUV-Regel 112-139 „Einsatz von Personen-Notsignal-Anlagen“ geregelt.

Alleinarbeit zulässig?

Um beurteilen zu können, ob Alleinarbeit am Einsatzort ohne weitere Maßnahmen zulässig ist, wird das Risiko mithilfe folgender Formel ermittelt:

R = (GZ + EV) x NW

GZ: Gefährdungsziffer

EV: Bewertungsziffer für die Erstversorgung

NW: die Notfallwahrscheinlichkeit.

Die Werte können aus den Tabellen entnommen werden.

Die Risikoziffer R kann Werte zwischen 1 und 120 annehmen, bei einem Wert größer 30 ist eine Alleinarbeit nicht mehr zulässig. In diesem Fall muss

  • eine zweite Person anwesend sein oder
  • eine permanente Videoüberwachung gewährleistet sein oder
  • eine Personen-Notsignal-Anlage getragen werden.

In jedem Fall muss die Hilfe in angemessener Zeit geleistet werden können, sonst ist der Aufwand wirkungslos.

 

Norbert Schilling

Gefährdungsstufen und Gefährdungsziffern

Gefährdungsstufen Gefährdungsziffer GZ

Gering

Gefährdungsfaktoren, die bei der allein arbeitenden Person geringe Verletzungen bzw. geringe akute Beeinträchtigungen der Gesundheit bewirken können. Die Person bleibt handlungsfähig.

1-3

Erhöht

Gefährdungsfaktoren, die bei der allein arbeitenden Person erhebliche Verletzungen bzw. erhebliche akute Beeinträchtigungen der Gesundheit bewirken können. Im Notfall bleibt die Person eingeschränkt handlungsfähig.

4-6

Kritisch

Gefährdungsfaktoren, die bei der allein arbeitenden Person besonders schwere Verletzungen bzw. schwere akute Beeinträchtigungen der Gesundheit bewirken können. Im Notfall ist die Person nicht mehr handlungsfähig.

7-10

Größeneinheiten einer (Notfall-)Wahrscheinlichkeit

Wahrscheinlichkeit eines Notfalls Notfallwahrscheinlichkeit NW

Gering

Es sind grundsätzlich keine Notfälle zu erwarten, ein Notfall ist bisher kaum aufgetreten, aber vorstellbar.

1-3

Mäßig

Erfahrungsgemäß sind Notfälle möglich. Unter ähnlichen Arbeitsbedingungen sind Unfälle gelegentlich aufgetreten.

4-6

Hoch

Es ist auch unter normalen Umständen mit Notfällen zu rechnen. Unter ähnlichen Arbeitsbedingungen sind Notfälle wiederholt aufgetreten.

7-10

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