Dieses Foto zeigt einen Mann in der Entfernung der vor einem Schreibtisch steht. Man erkennt Schreibutensilien und ein Tischtelefon. Im Vordergrund eine geöffnete Tür.

Stefan Mail, Geschäftsführer der Mail Druck + Medien GmbH, stellt sich seiner Verantwortung als Chef

Wann haben Sie das erste Mal davon gehört, dass psychische Belastung in die Gefährdungsbeurteilung gehört?

Stefan Mail: Das war im November 2016. Da haben Sie einen Vortrag bei der Tagung des Verbands der Hersteller selbst klebender Etiketten und Schmalbahnconverter (VskE) gehalten.

Hand aufs Herz, was haben Sie davon gehalten?

Ich fand das sehr interessant, konnte mir aber zu diesem Zeitpunkt noch nicht wirklich vorstellen, wie man das im eigenen Unternehmen umsetzt. Da war schon ein wenig Skepsis dabei.

Das Bild zeigt einen Mann sitzend an einem Tisch. Im Vordergrund erkennt man schemenhaft einen Mann, der ihm gegenübersitzt.

Stefan Mail kennt jeden seiner Beschäftigten persönlich. Dennoch hat ihn das Ergebnis des Workshops zur psychischen Belastung überrascht.

Das Foto zeigt einige Unterlagen auf einem Tisch. Zwei übereinandergelegte Arme sind ebenfalls zu erkennen.

Die Ergebnisse der Gruppenarbeiten wurden auf Plakaten der BG ETEM dokumentiert.

In Ihrer Branche gibt es viele kleinere Betriebe. Da kennt man sich persönlich und weiß auch meist über die Sorgen und Probleme der Kollegen Bescheid. Braucht es da eine Gefährdungsbeurteilung zum Thema Psyche?

Ich kenne unsere Beschäftigten wirklich gut, teilweise auch privat. Der Kontakt ist sehr intensiv. Trotzdem war interessant, was bei diesem Workshop herausgekommen ist. Das hätte man so gar nicht erwartet. Daher sage ich: Ja, es bedarf einer Gefährdungsbeurteilung zum Thema Psyche und sie bringt ganz bestimmt etwas.

Wie haben Sie Ihren Beschäftigten das Thema nähergebracht?

Bei einer Betriebsversammlung habe ich das Ganze kurz vorgestellt und angeregt, es umzusetzen.

Wie haben sie reagiert?

Eigentlich relativ positiv – nicht ablehnend, aber sie waren alle sehr, sehr skeptisch, was das bringt. So richtig vorstellen konnte sich da keiner was.

Der Workshop war sehr gut vorbereitet, alle Materialien waren vorhanden, Getränke standen bereit und wir haben uns im vornherein über den Ablauf verständigt. Wie kam die Idee zustande, direkt im Anschluss mit den Kollegen zu grillen?

Das hatten wir vorab geplant, wir wollten einen schönen Abschluss des Workshops haben, und das ist auch gelungen. Die Kollegen haben angeregt weiterdiskutiert und einige Dinge im Detail besprochen – sehr spannend.

In kleineren Betrieben ist es meist schwierig, einen Tag für einen Workshop zu finden, an dem alle Zeit und Ruhe zum gemeinsamen Arbeiten haben. Zu unserem Termin waren fast alle Kollegen an wesend, wie haben Sie das organisiert?

Das war wirklich nicht ganz einfach, denn wir arbeiten auch mit Onlineshops. Da sind Overnight-Aufträge dabei, die sofort bearbeitet werden müssen. Wir haben da rüber gesprochen, dass wir uns diese Zeit freischaufeln, haben – so gut es ging –vorgearbeitet. Und haben es dann auch gepackt, dass alles termingerecht in der Produktion rausgegangen ist.

Welche Hauptthemen wurden im Workshop besprochen?

Wir hatten drei Hauptthemen: Das eine war Termindruck – damit habe ich gerechnet. Das zweite hängt ein bisschen damit zusammen: Überstunden – auch das war zu erwarten. Was mich sehr überrascht hat, waren die Themen Arbeitsbedingungen und Verletzungsgefahr. Da habe ich absolut nicht mit gerechnet, weil wir ein reiner Digitaldruckbetrieb sind, der gar keine Chemikalien mehr einsetzt. Das Einzige sind schwere Rollen und vielleicht ein bisschen Lack, wo man mal Handschuhe anziehen muss.

Wie praktikabel fanden Sie unsere Arbeitshilfe für Kleinbetriebe?

Die Fragebögen wurden ausgeteilt, sind auch schnell wieder zurückgekommen. Unsere Azubis haben das ausgewertet. Beim Workshop wurden die Gruppenarbeiten auf den Plakaten dargestellt. Das war einfach zu handhaben und hat gut funktioniert.

Welche Ideen haben Sie nach dem Workshop umgesetzt?

Wir haben einen Maßnahmenplan mit fast 20 Punkten erstellt. Wir haben fast alle umgesetzt – ganz unterschiedliche Dinge: Es hat neue Sicherheitsschuhe gegeben.

Die Abluftführung an einer Maschine wurde verbessert. Maschinen werden anders gewartet. Veränderungen an Workflows reduzieren den Termindruck.

Das Foto zeigt den Chef und einen Beschäftigten während des Workshops an einem Arbeitsplatz.

Beim Workshop erarbeiteten die Beschäftigten der Druckerei einen Maßnahmenplan. Ein wichtiges Ziel: veränderte Workflows zur Reduzierung des Termindrucks.

Wie funktioniert das?

Wir haben uns gefragt, wie können wir die Prozesse optimieren, um die Kommunikation zu verbessern und alle Aufträge sauberer und schneller durchzukriegen. Das war schon vorab mein Ziel, aber dass dieser Workflow nach dem Workshop von allen so getragen wurde, obwohl ich da gar nichts dazu gesagt habe, hat mich sehr gefreut.

Wir sind stark digitalisiert und sammeln beispielsweise Aufträge über Shops ein oder erhalten sie von unseren Kunden auf elektronischem Weg über Edi-Schnitt stellen oder XML-Bestellungen. Die laufen inzwischen automatisch ins System, wandern in einen Pool und werden nachher teilweise automatisch vom Workflowsystem bearbeitet. Das Ergebnis sind automatische Korrekturabzüge und unsere Kollegen sind eigentlich nur noch beratend tätig, das ist eine Riesenerleichterung.

Das klingt nach viel Arbeit für einen kleinen Betrieb …

So etwas kann man nicht kaufen, man muss es selbst machen und in die Entwicklungsarbeit reingehen. Wir haben uns einen Kooperationspartner gesucht. Dazu sind natürlich alle Mitarbeiter gefragt, die das im Workshop voll unterstützt haben und jetzt auch mitziehen.

Was hat sich für die Kollegen noch verändert?

Wir haben auch in der Kommunikation Verbesserungen erreicht. Es wird offener gesprochen zwischen den Kollegen, was bei der Teamarbeit Vorteile bringt. Ein großer Erfolg, dass wir uns gerade in die richtige Richtung weiterentwickeln können – zusammen.

Haben Sie eine ähnliche Veranstaltung für die Zukunft geplant und könnten Sie sich vorstellen, solch einen Workshop eigenständig – ohne BG-Hilfe – durchzuführen?

Wir haben schon zwei weitere Workshops gemacht. Für die Kommunikation haben wir hier ein Seminar gehabt, mit allen Mitarbeitern – es war genial! Letzte Woche ist ein Teambuilding-Workshop gelaufen, um das Ganze noch weiter aufzubereiten. Das war wirklich klasse! Und natürlich kann ich mir vorstellen, so eine Gefahrenbeurteilung für die Psyche auch selbstständig durchzuführen – kein Problem.

Sie engagieren sich seit Jahren in Fachausschüssen der Druck- und Medienwelt und kennen die Probleme und Arbeitsbedingungen Ihrer Kollegen. Was würden Sie einem Unternehmer empfehlen, der seine Gefährdungsbeurteilung um das Thema der psychischen Belastungen ergänzen muss?

Einfach mal machen! Für uns war das wirklich sehr gut und ich kann mir gut vorstellen, dass das in anderen Unternehmen ähnlich ablaufen wird.