Das Foto zeigt eine Facharbeiterin vor aufgestapeltem Papier. Eine Packung von fertig gedrucktem hält die Frau mit beiden Händen fest.

Lastenheben ist für schwangere Frauen nur in eingeschränktem Maß erlaubt

Bei der Gefährdungsbeurteilung der Arbeitsbedingungen und der Tätigkeiten müssen auch die besonderen Gefahren für werdende oder stillende Mütter berücksichtigt werden – unabhängig davon, ob aktuell Frauen dort eingesetzt sind. Dies soll sicherstellen, dass die notwendigen Schutzmaßnahmen sofort angewendet werden können, sobald die Schwangerschaft einer Beschäftigten dem Arbeitgeber mitgeteilt wird. Die schwangeren Frauen sollen ihren Arbeitgeber deswegen so früh wie möglich über ihre Schwangerschaft informieren.

Folgende Einwirkungen, bei denen eine unverantwortbare Gefährdung nicht auszuschließen ist (siehe Box auf S. 25), sind besonders in der Druckindustrie sowie in papierverarbeitenden Betrieben von Bedeutung.

Betrieblicher Gesundheitsschutz

a) Heben und Tragen

An fast allen Arbeitsplätzen in der Weiterverarbeitung und in Buchbindereien gehört das Bewegen von Papierstapeln per Hand zum Alltag – sei es beim Einlegen in den Sammelhefter oder beim Palettieren nach dem Klebebinden. In der Regel werden die Stapel mit der Hand eingelegt und auch wieder abgenommen.

Schwangere Frauen dürfen ohne mechanische Hilfsmittel nicht regelmäßig Lasten von mehr als 5 Kilogramm Gewicht oder gelegentlich Lasten von mehr als 10 Kilogramm Gewicht von Hand heben, halten, bewegen oder befördern. Anhand der Leitmerkmalmethode – Dauer, Lastgewicht, Körperhaltung und Rahmenbedingungen – gemäß der Lastenhandhabungsverordnung (LasthandhabV) können diese Tätigkeiten beurteilt werden. Je nach Ergebnis müssen die Arbeitsplätze technisch und/oder organisatorisch umgestaltet werden. Wird die Last mit mechanischen Hilfsmitteln gehoben, bewegt oder befördert, darf auch die körperliche Belastung der Schwangeren durch die Bedienung dieser Hilfsmittel nicht größer sein.

b) Ständiges Stehen

In der Weiterverarbeitung kommt es häufig vor, dass die Beschäftigten länger bewegungsarm stehen müssen. Nach Ablauf des fünften Monats der Schwangerschaft sind laut Mutterschutzgesetz Arbeiten verboten, bei denen die Schwangere insgesamt täglich mehr als vier Stunden stehen muss. An den Arbeitsplätzen müssen ausreichend viele geeignete Stühle bzw. Stehhilfen zur Verfügung stehen.

c) Lärm und Erschütterungen

Wellpappenanlagen, Rotationsdruckmaschinen sowie Falzmaschinen sind typische „laute“ Maschinen. Sie werden in der Regel mit einer Kapselung ausgestaltet oder nur mit geschlossener Schallschutzhaube betrieben. Das Mutterschutzgesetz untersagt, werdende Mütter so zu beschäftigen, dass sie physikalischen Einwirkungen (wie z. B. Erschütterungen, Vibrationen und Lärm) ausgesetzt sind. Bei einem personenbezogenen Beurteilungspegel über 80 dB(A) oder einer Exposition gegenüber impulsartig auftretendem Lärm ist die Arbeit für schwangere Frauen nicht geeignet. Besteht die Vermutung, dass der Beurteilungspegel über 80 dB(A) liegt, muss dies durch Messung kontrolliert werden. Unter Umständen ist Gehörschutz erforderlich. Erschütterungen können z. B. beim Fahren von Gabelstaplern auftreten. Schwangere Mitarbeiterinnen dürfen in diesem Fall hier nicht eingesetzt werden.

d) Hitze, Kälte und Nässe

Wenn kreativ tätige Frauen, z. B. Journalistinnen oder Fotografinnen, extremen Wetterbedingungen wie Hitze, Kälte oder Feuchte ausgesetzt sein können, muss die Gefährdungsbeurteilung bereits vor Beginn des Arbeitsauftrags entsprechende Schutzmaßnahmen enthalten. Anderenfalls können solche Wetterbedingungen für Schwangere als unverantwortbare Gefährdungen betrachtet werden.

e) Arbeiten mit Gefahrstoffen

Farben, Lacke, Klebstoffe, Reinigungsmittel sowie Druckbestäubungspuder sind die gängigen Arbeitsstoffe/Gefahrstoffe in Druckereien und papierverarbeitenden Betrieben. Besondere Vorsicht ist beim Umgang mit bestimmten Arbeitsstoffen geboten, weil sie die Gesundheit der schwangeren Arbeitnehmerin bzw. stillenden Mutter – und des (ungeborenen) Kindes – gefährden können (Beispiele: s. Tabelle unten). Auskunft darüber, ob und mit welchem Prozentsatz diese Stoffe vorhanden sind, gibt das Sicherheitsdatenblatt oder das betriebliche Gefahrstoffkataster. Für einen Großteil der Arbeitsstoffe im Bereich Druck und Papierverarbeitung liegen nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft keine Gefahren für werdende und stillende Mütter vor, wenn die Grenzwerte der Stoffe, die in der TRGS 900 stehen und mit „Y“ gekennzeichnet sind, dauerhaft sicher eingehalten werden.

Einige Lösemittel/Gefahrstoffe sind bereits wegen ihres hohen Gefahrenpotenzials von verschiedenen Branchenregeln ausgeschlossen, wie z. B. das N-Methylpyrrolidon (NMP), das u. a. mit „reprotoxisch Kat. 1B, H360D“ und „hautresorptiv“ eingestuft wird und – im Rahmen der Brancheninitiative – nicht in Wasch- und Reinigungsmitteln im Offsetdruck vorhanden sein darf. Ob eine unverantwortbare Gefährdung ausgeschlossen werden kann, muss anhand der Gefährdungsbeurteilung analysiert werden.

f) Arbeiten mit Biostoffen

Laut Biostoffverordnung sind die Tätigkeiten im Bereich Druck und Papierverarbeitung, die mit Biostoffen zu tun haben, nicht gezielte Tätigkeiten. Die Art und die Exposition gegenüber den dort vorkommenden Biostoffen sind im Allgemeinen nicht bekannt. Die tatsächliche Gefährdung ist daher nur schwer einzuschätzen.

Eine unverantwortbare Gefährdung ist deswegen nach dem Mutterschutzgesetz grundsätzlich möglich. So muss z. B.

  • bei der Wartung von raumlufttechnischen Anlagen und Luftbefeuchtern,
  • beim Arbeiten im Bereich der Buchrestauration und Altpapierrecycling oder
  • bei der Reinigung der Leimleitung in Wellpappenbetrieben

im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung sichergestellt werden, dass die technischen und organisatorischen Schutzmaßnahmen ausreichen, eine mögliche Infektion zu vermeiden. Ist dies nicht möglich, darf eine werdende bzw. stillende Mutter diese Tätigkeiten nicht ausüben.

Werden raumlufttechnische Anlagen oder Luftbefeuchter immer ordnungsgemäß gereinigt, gewartet und sie regelmäßig auf ihren hygienisch einwandfreien Zustand kontrolliert – u. a. durch Keimzahlbestimmungen –, ist nicht mit einer erhöhten Luftkeimzahl zu rechnen. Daher stellen solche Anlagen keine Gefahrenquelle für die der Raumluft ausgesetzten schwangeren oder stillenden Mitarbeiterinnen dar.

Beispiele von Arbeitsstoffen, die eine unverantwortbare Gefährdung auslösen können

Verfahren Beispiele Gefährdungen Kennzeichnung

Wellpappenherstellung

  

 

Borax in der Leimherstellung

Repr.1) 1A oder Repr. 1B (H360D, H360F, H360FD)

Gefahr Das Piktogramm GHS 08 weist auf eine Reihe von schwerwiegenden Gefährdungen für innere Organe hin.

Nassverfestiger (formaldehydhaltig) in der Leimherstellung

Carc.2) 1B (H350, H350i)

Gefahr Das Piktogramm GHS 08 weist auf eine Reihe von schwerwiegenden Gefährdungen für innere Organe hin.

Tiefdruck

 

 

 

Chrom (VI)-Verbindungen bei der Zylinderherstellung

 

 

 

Repr. 2 (H361f, H361d, H361fd)

Achtung Das Piktogramm GHS 08 weist auf eine Reihe von schwerwiegenden Gefährdungen für innere Organe hin.

Muta.3) 1A oder Muta. 1B (H340)

Gefahr Das Piktogramm GHS 08 weist auf eine Reihe von schwerwiegenden Gefährdungen für innere Organe hin.

Carc. 1A oder Carc. 1B (H350, H350i)

Gefahr Das Piktogramm GHS 08 weist auf eine Reihe von schwerwiegenden Gefährdungen für innere Organe hin.

Keramischer Siebdruck

 

Bleihaltige Pigmente/Farben

Lact. 4) (H362)

kein Piktogramm

Cadmiumverbindungen in Farben

Carc. 1A oder Carc. 1B (H350, H350i)

Gefahr Das Piktogramm GHS 08 weist auf eine Reihe von schwerwiegenden Gefährdungen für innere Organe hin.

Nahezu bei allen Druckverfahren

Fotoinitiatoren in UV-Farben und -Lacken

Repr. 1A oder Repr. 1B (H360D, H360F, H360FD)

Gefahr Das Piktogramm GHS 08 weist auf eine Reihe von schwerwiegenden Gefährdungen für innere Organe hin.

Nahezu in allen Druckereien und papierverarbeitenden Betrieben

Dieselmotoremissionen von Gabelstaplern

Carc. 1A oder Carc. 1B (H350, H350i)

Gefahr Das Piktogramm GHS 08 weist auf eine Reihe von schwerwiegenden Gefährdungen für innere Organe hin.

1): Reproduktionstoxisch (repr.) sind Stoffe, die die Sexualfunktion und Fruchtbarkeit bei Mann und Frau sowie die Entwicklung bei den Nachkommen beeinträchtigen können.
2): Krebserzeugend (carc.) ist ein Stoff oder ein Stoffgemisch, der/das Krebs erzeugen oder die Krebshäufigkeit erhöhen kann.
3): Keimzellen-Mutagenität (muta.) betrifft hauptsächlich Stoffe, die Mutationen in den menschlichen Keimzellen auslösen können, die möglicherweise an die Nachkommen weitergegeben werden.
4): Wirkungen auf oder über die Laktation (lact.): Kann Säuglinge über die Muttermilch schädigen.
   

 

Das Foto zeigt eine Frau an ihrem Arbeitsplatz in der Weiterverarbeitung von Papier an einer großen Maschine.

Ein Arbeitsplatz wie dieser in Weiterverarbeitung oder Buchbinderei zeigt eine ergonomisch günstige Höhe zum Stapeln

Arbeitszeitlicher Gesundheitsschutz

a) Arbeitszeit

Werdende oder stillende Mütter dürfen wegen eines entsprechenden Nachtarbeitverbots zwischen 20 Uhr und 6 Uhr nicht beschäftigt werden. Ein Arbeitsplatzwechsel der Betroffenen ist deswegen oft notwendig – z. B. in der Druckabteilung einer Zeitungsdruckerei oder in einem Zeitungszustellungsbetrieb, da die Zeitungen normalerweise über Nacht gedruckt und vor Tagesanbruch ausgetragen werden müssen. Eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens elf Stundenmuss nach Beendigung der täglichen Arbeitszeit gewährt werden. Auch eine Beschäftigung an Sonn- und Feiertagen ist grundsätzlich verboten.

b) Beschränkung von Heimarbeit

Durch die Digitalisierung in der Arbeitswelt können immer mehr Aufgaben an einem Heimarbeitsplatz erledigt werden, z. B. die Bildnachbearbeitung oder die Mediengestaltung durch eine Grafikerin oder Designerin. Die in Heimarbeit beschäftigten Frauen sind für die Arbeitsbedingungen grundsätzlich selbst verantwortlich und damit auch für ihren eigenen Gesundheitsschutz, soweit die Gestaltung der Arbeitsbedingungen nicht im Einflussbereich des Auftraggebers liegt.

Das entbindet den Arbeitgeber jedoch nicht von der grundsätzlichen Pflicht, die Mitarbeiterinnen und ihr Kind zu schützen. So muss der Arbeitgeber die besonderen arbeitszeitlichen Regelungen des Mutterschutzgesetzes einhalten und die Arbeitsbedingungen so gestalten, dass unverantwortbare Gefährdungen ausgeschlossen werden.

c) Weitere verbotene Tätigkeiten

Eine werdende oder stillende Mutter darf folgende Tätigkeiten nicht ausüben:

  • Akkordarbeit,
  • Fließbandarbeit oder
  • getaktete Arbeit mit vorgeschriebenem Arbeitstempo,
    wenn die Art der Arbeit oder das Arbeitstempo für die schwangere Frau oder für ihr Kind eine unverantwortbare Gefährdung darstellt.

Fazit

Sofern bei einer werdenden oder stillenden Mutter eine unverantwortbare Gefährdung – z. B. eine Exposition gegenüber Stoffen, die die Gefahrenhinweise H360, H361 oder H362 tragen – nicht ausgeschlossen werden kann, empfiehlt die BG ETEM Maßnahmen. Diese Schutzmaßnahmen gelten gleichermaßen für Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigte sowie Praktikantinnen. Dazu muss sich der Betrieb mit der staatlichen Behörde abstimmen.

  • Umgestaltung der Arbeitsbedingungen (z. B. Substitution der UV-Druckfarben, die mit H360/361/362 gekennzeichnet sind);
  • Arbeitsplatzwechsel der Mitarbeiterin innerhalb des Betriebs, falls eine Substitution nicht möglich ist (z. B. vom Drucksaal in den Bürobereich);
  • Betriebliches Beschäftigungsverbot, falls Punkte 1 und 2 nicht umsetzbar sind.

Hierbei sollte der Betrieb unbedingt den Betriebsarzt hinzuziehen. Neben der beschriebenen Gefährdungsbeurteilung laut Mutterschutzgesetz bestehen für den Arbeitgeber weitere Verpflichtungen, z. B.

  • eine Mitteilungspflicht an die Aufsichtsbehörde,
  • eine Liegemöglichkeit gemäß der Technischen Regeln für Arbeitsstätten (ASR) A4.2 „Pausen- und Bereitschaftsräume“,
  • der Aushang des Mutterschutzgesetzes zur Einsicht in Betrieben, in denen regelmäßig mehr als drei Frauen beschäftigt werden.

 

Lan Zhao