Hauptplatinen als Elektroschrott: Auch beim Recycling können Beschäftigte mit krebserzeugenden Metallen in Kontakt kommen.
In vielen Unternehmen werden täglich krebserzeugende Metalle und ihre Verbindungen be- und verarbeitet. Sie kommen zum Beispiel in Stählen und anderen Legierungen und in Form von Halbzeugen und Fertigprodukten vor. Die damit verbundenen Tätigkeiten reichen von der Gewinnung und Erzeugung über die Ver- und Bearbeitung bis hin zum Recycling.
Die neue TRGS 561 „Tätigkeiten mit krebserzeugenden Metallen und ihren Verbindungen“ gilt für Tätigkeiten, bei denen eine Exposition gegenüber krebserzeugenden Metallen und ihren anorganischen Verbindungen der Kategorie 1A und 1B im Bereich des hohen Risikos nach TRGS 910 „Risikobezogenes Maßnahmenkonzept für Tätigkeiten mit krebserzeugenden Gefahrstoffen“ auftreten kann.
Dies gilt unabhängig davon, ob für die entsprechenden Metalle oder Metallverbindungen ein Arbeitsplatzgrenzwert (AGW), eine Akzeptanz- und Toleranzkonzentration oder ein Beurteilungsmaßstab abgeleitet worden ist. In die vorgenannten Kategorien für krebserzeugende Stoffe sind zurzeit folgende Metalle bzw. Verbindungen eingestuft:
- Arsenverbindungen,
- Beryllium und -verbindungen,
- Cadmium und anorganische Cadmiumverbindungen,
- Chrom (VI)-Verbindungen,
- Cobalt und Cobaltverbindungen sowie
- Nickelverbindungen.
Tabelle 1 zeigt eine Übersicht über die Metalle und Verbindungen, deren Einstufung, den Beurteilungsmaßstab, Überschreitungsfaktor und die Quelle der Veröffentlichung.
Stoff | Beurteilungsmaßstab | Überschreitungsfaktor | Quelle |
---|---|---|---|
Arsenverbindungen, |
TK 8,3 μg/m3 (E) |
8 |
TRGS 910 |
Beryllium und Beryllium- |
AGW 0,14 μg/m3 (E) |
1 |
TRGS 900 |
Cadmium und anorganische |
TK 1,0 μg/m3 (E) |
8 |
TRGS 910 |
Chrom (VI)-Verbindungen |
BM 1,0 μg/m3 (E) |
8 |
TRGS 910 |
Cobalt und Cobaltverbindungen, |
TK 5,0 μg/m3 (A) |
8 |
TRGS 910 |
Nickelverbindungen als Carc. 1A, Carc. 1B eingestuft |
TK 6,0 μg/m3 (A)* |
8 |
TRGS 910 |
Erläuterungen: |
|||
TK: Toleranzkonzentration |
*Die Toleranzkonzentration wurde aufgrund der nicht krebserzeugenden Wirkung festgelegt. Dieser Wert stimmt in diesem Fall mit der Höhe der Akzeptanzkonzentration überein, der Bereich des mittleren Risikos entfällt damit. Quelle: TRGS 561 |
Betrachtet man die Höhe der abgeleiteten Beurteilungsmaßstäbe und Grenzwerte, so wird schnell erkennbar, dass diese in der Praxis bei einigen Tätigkeiten nicht einfach einzuhalten sind. Deshalb besteht das vorrangige Ziel der TRGS darin, bestehende Expositionen so weit zu verringern, dass die Toleranzkonzentration für die Stoffe unterschritten wird. Dennoch ist natürlich anzustreben, auch die Akzeptanzkonzentration zu unterschreiten. Damit soll die Wahrscheinlichkeit des Auftretens einer beruflich verursachten Krebserkrankung weiter minimiert werden.
Nicht angewendet wird diese TRGS auf schweißtechnische und verwandte Verfahren, wie z. B. Schweißen, Schneidbrennen, Flammspritzen und Löten (Geltungsbereich der TRGS 528) sowie auf Labortätigkeiten in laborüblichen Mengen (TRGS 526).
Bei der Erarbeitung der Regel waren Fachexperten aus unterschiedlichen Branchen einbezogen. Dadurch wurde eine sehr hohe Praxisnähe erreicht. So enthält die TRGS in Nr. 3 beispielsweise detaillierte, stoffspezifische Hinweise für die Informationsermittlung aus sicherheitstechnischer und auch arbeitsmedizinischer Sicht. Das erleichtert dem Praktiker in aller Regel den Einstieg in die Gefährdungsbeurteilung.
Wird im Rahmen der Expositionsermittlung festgestellt, dass bei Tätigkeiten die Grenzwerte nicht eingehalten werden können, müssen Maßnahmen zur Expositionsminderung getroffen werden. Eine Exposition im Bereich des hohen Risikos (oberhalb der Toleranzkonzentration, des Beurteilungsmaßstabs bzw. des Arbeitsplatzgrenzwertes) erfordert wegen der daraus ableitbaren höheren Wahrscheinlichkeit einer Krebserkrankung umso dringlichere Schutzmaßnahmen. Natürlich liegt der Fokus auf technischen Maßnahmen. Wegen des hohen Grades der Gefährdung können auch ergänzende persönliche Schutzmaßnahmen, z. B. das Tragen von PSA erforderlich sein, um die Gesundheit der Beschäftigten zu schützen.
Arbeitgeber müssen Maßnahmen zur Expositionsminderung ergreifen.
Was ist zu beachten?
Der Arbeitgeber muss bei Tätigkeiten mit einer Exposition im Bereich des mittleren und hohen Risikos einen Maßnahmenplan erstellen. Darin wird dargelegt, mit welchen Schutzmaßnahmen welche Expositionsminderung erreicht werden soll. Für Tätigkeiten im Bereich des hohen Risikos ist zu beschreiben, wie die Toleranzkonzentration innerhalb von drei Jahren unterschritten werden soll (ab dem Datum der Veröffentlichung der Regel). Dazu sind vorrangig die in der TRGS aufgeführten Maßnahmen umzusetzen.
Gemäß TRGS 910 wird dringend empfohlen, die zuständige Arbeitsschutzbehörde unter Übermittlung des Maßnahmenplans zu informieren, wenn die Toleranzkonzentration vorhersehbar länger als drei Monate überschritten wird. In einigen Fällen kann es bei Tätigkeiten mit krebserzeugenden Stoffen und einer vorliegenden Überschreitung der Toleranzkonzentration/Beurteilungsmaßstabs notwendig sein, bei der zuständigen Behörde befristete Übergangsregelungen vom Technischen Regelwerk zu beantragen. Hierfür hat der Ausschuss für Gefahrstoffe (AGS) eine Orientierungshilfe erarbeitet, die auf der Homepage der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) veröffentlicht wurde.
Allgemeine Schutzmaßnahmen
Die TRGS enthält im Abschnitt 4.1 branchenübergreifende Maßnahmen, die grundsätzlich bei allen Tätigkeiten mit krebserzeugenden Stoffen umzusetzen sind. In Abhängigkeit vom Grad der Exposition werden darüber hinaus geeignete Schutzmaßnahmen dargestellt, mit denen eine Expositionsminderung für Tätigkeiten im Bereich des mittleren und hohen Risikos erreicht werden kann.
Die Maßnahmen sind jeweils strukturiert nach technischen, organisatorischen, Hygiene- und persönlichen Schutzmaßnahmen. Abgeleitet aus der Höhe der Grenzwerte und Beurteilungsmaßstäbe wird schnell ersichtlich, dass an vielen Arbeitsplätzen das bisherige Schutzniveau vermutlich nicht mehr ausreichen wird. Vielmehr sind Kombinationen aus verschiedenen – vorwiegend technischen – Maßnahmen erforderlich, mit zusätzlichem Augenmerk auf regelmäßige Reinigung an Arbeitsplätzen und ergänzenden persönlichen Hygienemaßnahmen.
Expositionen bei Tätigkeiten mit krebserzeugenden Metallen und ihren Verbindungen treten sehr oft in Form von Stäuben auf. Daher widmet sich der Abschnitt 4.2 den Möglichkeiten, staubvermeidend bzw. mindestens staubmindernd zu arbeiten. Vielfach wird eine wirksame Staubminderung nur erreichbar sein, wenn Maßnahmen nach dem Stand der Technik eingesetzt werden.
Dies betrifft übrigens nicht nur das Abscheiden von Stäuben mit geeigneter Filtertechnik. Vielmehr müssen für eine deutliche Expositionsminderung dringend Maßnahmen zur möglichst vollständigen Erfassung freigesetzter Stoffe umgesetzt werden.
Hilfen dazu geben sowohl der genannte Abschnitt der TRGS als auch die DGUV Regel 109-002 „Arbeitsplatzlüftung – Lufttechnische Maßnahmen“.
Durch Aufwirbelung abgelagerter Stäube sowie durch Verschleppung aus benachbarten Arbeitsbereichen kann an Arbeitsplätzen eine Grundbelastung erzeugt werden, durch die Grenzwerte bereits erreicht werden. Damit kann auch ohne unmittelbar ausgeführte Arbeiten bereits eine Exposition vorliegen.
Ebenso kritisch sind gerade bei staub-freisetzenden Tätigkeiten die eingesetzten Reinigungsverfahren zu betrachten. Abblasen mit Druckluft oder Kehren ohne staubbindende Maßnahmen ist nicht gestattet. Dies gilt übrigens nicht nur für eigene Beschäftigte, sondern gleichermaßen für das Personal von Fremdfirmen und Dienstleistern.
Wenn möglich, sollen krebserzeugende Stoffe durch andere ersetzt werden – auch in der Dentaltechnik.
Branchenbezug in der TRGS
Praktischen Mehrwert bietet die TRGS in Abschnitt 5, besondere Schutzmaßnahmen für spezielle Bereiche. Hier werden branchenspezifische Informationen
- zur Expositionssituation,
- zu gefährdenden Tätigkeiten,
- für Substitutionsprüfungen,
- über bewährte, spezielle Schutzmaßnahmen
dargestellt. Aus den Branchen der BG ETEM betrifft dies insbesondere:
- Verarbeitung von chrom- und nickelhaltigen Stählen und anderen Legierungen, die krebserzeugende Metalle enthalten,
- die Hartmetallherstellung und -verarbeitung,
- galvanotechnische und chemische Oberflächenbehandlung,
- Batterieherstellung,
- Dentaltechnik,
- Recycling von Elektronikschrott, Batterien und Solarmodulen.
Hilfreich für die Gefährdungsbeurteilung sind vor allem die Daten und Informationen zur Exposition gegenüber krebserzeugenden Metallen und ihren Verbindungen, die – soweit bekannt – in die jeweiligen Kapitel eingeflossen sind. Zusammen mit den Erkenntnissen aus der eigenen Gefährdungsbeurteilung lassen sich daraus Hinweise für prioritär umzusetzende Maßnahmen in hoch belasteten Bereichen ableiten.
Mögliche Substitution
Für alle Tätigkeiten muss eine Substitutionsprüfung erfolgen. Der Ersatz der krebserzeugenden Stoffe und Gemische durch ungefährliche bzw. weniger gefährliche Stoffe oder der Einsatz von Verfahren, die eine geringere Exposition der Beschäftigten zur Folge haben, ist das erklärte Ziel einer Substitution.
In der Praxis ist es bis zur erfolgreichen Substitution oft ein langer Weg. Dies entbindet jedoch nicht von der Verpflichtung, die Möglichkeiten zu prüfen. Die TRGS beschreibt für die einzelnen Branchen, bei welchen Tätigkeiten Substitutionsmöglichkeiten meist wegen der geforderten technischen Eigenschaften der Metalle/Verbindungen zumindest stofflich nicht bestehen.
Gleichzeitig werden aber Hinweise zu emissionsärmeren Verwendungsformen und Verfahrensänderungen gegeben. Für die Unternehmen ist wichtig, dass im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung Substitutionsprüfungen und deren Ergebnis zu dokumentieren sind. Nähere Hinweise dazu sind in Nr. 5 der TRGS 400 „Gefährdungsbeurteilung bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen“ und in Nr. 6 der TRGS 600 „Substitution“ enthalten.
Tätigkeiten mit krebserzeugenden Stoffen benötigen nicht nur ein hohes technisches Schutzniveau, sondern erfordern ein angemessenes Verhalten durch die Beschäftigten selbst. Dazu bedarf es einer umfassenden allgemeinen Information und Aufklärung der Beschäftigten über die Aufnahmewege, Wirkungen und mögliche Gesundheitsschädigungen einschließlich eventueller Spätfolgen bei Tätigkeiten mit den Stoffen und Gemischen.
Arbeitsmedizinische Prävention
Dafür hat der Gesetzgeber eine arbeitsmedizinisch-toxikologische Beratung im Rahmen der Unterweisung vorgesehen. Hilfreich ist hierbei natürlich die Einbindung des Betriebsarztes/der Betriebsärztin. Für ebenso wichtig wird die Beteiligung arbeitsmedizinischen Sachverstandes bei der Gefährdungsbeurteilung angesehen.
Komplexe Fragestellungen zu Dosis-Wirkungs-Beziehungen, kombinierte Exposition gegenüber mehreren Metallen/Metallverbindungen und deren Wirkung auf den Menschen, Beurteilung von Risiken und Erkrankungswahrscheinlichkeiten machen die Mitarbeit der Arbeitsmediziner/-medizinerinnen unverzichtbar.
Die arbeitsmedizinische Vorsorge für die Beschäftigten muss auf Basis der geltenden Rechtsvorschriften und im Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung festgelegt werden. Auch dazu enthält die TRGS stoffbezogene Hinweise für Angebots- und Pflicht- sowie