Das Foto zeigt den unteren Teil einer Rollstuhlfahrerin, die von einem Mann angeschoben wird. Im Vordergrund ist der Schatten der Rollstuhlfahrerin und des anschiebenden Mannes zu erkennen.

Ein beruflich bedingter Unfall oder eine Berufskrankheit kann schwerwiegende Folgen haben. Unter bestimmten Voraussetzungen zahlt die BG ETEM dann eine Verletztenrente.

Luisa C. kann wieder aufatmen. Nachdem sie vor einem Dreivierteljahr auf dem Weg zur Arbeit mit dem Fahrrad gestürzt war und sich dabei einen komplizierten Unterschenkelbruch zugezogen hatte, ist sie seit zwei Monaten endlich zurück an ihrem Arbeitsplatz. Zu Ihrer Überraschung hat die BG ETEM ihr dennoch vor Kurzem per Post mitgeteilt, dass sie künftig eine Verletztenrente erhalten solle. In dem Bescheid wurde sie mit Begriffen konfrontiert, die sie bisher nicht kannte, z. B. „Minderung der Erwerbsfähigkeit“ (Kurzform: MdE). Wir erklären, was dahintersteckt.

Was sind die Voraussetzungen für die Zahlung einer Verletztenrente?

Ein Anspruch auf Verletztenrente entsteht erst, wenn gesundheitliche Einschränkungen auch über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall – d. h. einem Arbeits- oder Wegeunfall oder dem Eintritt einer Berufskrankheit – hinaus noch bestehen und die MdE wenigstens 20 Prozent beträgt.

Wie bemisst sich die MdE?

Die MdE in der gesetzlichen Unfallversicherung richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet der Arbeitslebens (§ 56 Abs. 2 S. 1 SGB VII). Verglichen wird also die Arbeitskraft/Leistungsfähigkeit vor und nach dem Versicherungsfall (Arbeits-/Wegeunfall oder Berufskrankheit). Der individuelle Beruf der versicherten Person bleibt dabei außer Betracht.

Der Grad der MdE wird in Prozent angegeben und im Rahmen einer ärztlichen Begutachtung festgestellt. Um die Zahlung der Rente zu beschleunigen, wird sie bei der BG ETEM so weit wie möglich „standardisiert“ festgestellt. In diesen Fällen erfolgt die Einschätzung der MdE „nach allgemeinen Erfahrungssätzen auf Grundlage der medizinischen Berichte“. Dieses Verfahrens kann aber nur bei bestimmten Verletzungen mit für die jeweilige Verletzung typischem Heilungsverlauf angewendet werden.

Die Entscheidung, ob eine Rente gezahlt wird, fällt der mit Vertretern von Arbeitnehmern und Arbeitgebern besetzte Rentenausschuss der BG ETEM.

Welche Bedeutung hat der Jahresarbeitsverdienst für die Rente?

Neben der MdE liegt der Berechnung der Rentenhöhe bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern der Jahresarbeitsverdienst (JAV) zugrunde. Das ist das Arbeitsentgelt (für Selbstständige: das Arbeitseinkommen) aus den letzten 12 Monaten vor dem Eintritt des Versicherungsfalls. Der vom Gesetzgeber festgelegte und in der Satzung der BG ETEM konkretisierte JAV-Höchstbetrag darf nicht überschritten werden. Er liegt bei 84.000 Euro. Außerdem gibt es einen Mindest-JAV.

Um der allgemeinen Lohnentwicklung in der Zukunft gerecht zu werden, wird die Höhe der Verletztenrente – wie in der gesetzlichen Rentenversicherung – jährlich mit einem Anpassungsfaktor angepasst.

Wie wird die Verletztenrente berechnet?

Die Formel für die Berechnung der Rente lautet:

Jahresarbeitsverdienst x ⅔ x Minderung der Erwerbsfähigkeit = Jahresrente

Im Rentenbescheid ist von der „Rente als vorläufige Entschädigung“ die Rede. Was bedeutet das?

Oft können sich die Folgen eines Versicherungsfalls im Laufe der Zeit bessern. Daher ist gesetzlich geregelt, dass die Verletztenrente in den ersten drei Jahren nach dem Versicherungsfall als sogenannte vorläufige Entschädigung gezahlt wird.

Spätestens drei Jahre nach dem Versicherungsfall prüft die Verwaltung der BG ETEM, ob die Folgen von Dauer sind und lässt die noch immer bestehenden Folgen ggf. durch ein Gutachten einschätzen. Sofern auch dann noch ein Anspruch auf die Rente besteht, wird sie ab diesem Zeitpunkt auf unbestimmte Zeit gezahlt, d. h. bei einer dauerhaften MdE in rentenberechtigender Höhe auf Lebenszeit.

Was passiert, wenn sich der Gesundheitszustand verändert?

Die gesundheitlichen Folgen eines Arbeitsunfalls können sich im Lauf der Zeit ändern. Der Gesundheitszustand kann sich sowohl verbessern als auch verschlechtern. Damit sich eine solche Änderung auch auf die Rentenhöhe auswirkt, muss sie allerdings „wesentlich“ sein. Das ist der Fall, wenn sich die MdE um mehr als fünf Prozent verändert hat. Um eine solche Änderung zu überprüfen, wird in der Regel ein ärztliches Gutachten eingeholt.

Wenn die oder der Verletzte trotz gesundheitlicher Einschränkungen wieder in den bisher ausgeübten Beruf zurückkehren kann: Hat sie oder er trotzdem Anspruch auf eine Rente?

Die Rente soll den Gesundheitsschaden und – fiktiv – die geminderte Einsatzfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausgleichen. Es handelt sich nicht um eine Lohnersatzleistung. Daher besteht der Anspruch auf die Verletztenrente auch unabhängig von einem nebenher erzielten Einkommen und unabhängig davon, ob der Versicherte wieder seiner zuletzt ausgeübten Tätigkeit nachkommen kann oder nicht.

Sollten neben der Verletztenrente Geldleistungen von anderen Sozialleistungsträgern bezogen werden – z. B. die gesetzliche Altersrente oder „Hartz IV“ von der Arbeitslosenversicherung –, so rechnen diese Träger die Verletztenrente der BG ETEM in der Regel an. Genauere Informationen dazu können die Stellen erteilen, die die entsprechenden Leistungen auszahlen.

In welchem Rhythmus wird die Verletztenrente gezahlt?

Die Verletztenrente wird grundsätzlich monatlich zum Monatsende für den ablaufenden Monat gezahlt.

Die monatliche Rente kann auf Antrag auch in Form einer Abfindung gezahlt werden. Ein Rechtsanspruch darauf besteht nicht. Grundsätzlich wird abgefunden, wenn nicht zu erwarten ist, dass die MdE wesentlich sinkt. Erwähnenswert in diesem Zusammenhang ist, dass eine Rentenabfindung keine Auswirkungen auf die Ansprüche auf weitere Leistungen der Unfallversicherung hat, wie z. B. Heilbehandlung oder Leistungen zur Teilhabe.

Die Höhe der Abfindung richtet sich nach dem Alter des Versicherten und nach dem Zeitraum, der seit dem Unfall vergangen ist. Bei einer MdE unter 40 Prozent wird die gesamte Rente abgefunden, ansonsten kann der Betrag bis zur Hälfte abgefunden werden.

Muss man seine Verletztenrente versteuern?

Nein. Die Verletztenrente ist in Deutschland nicht als Einkommen zu versteuern. Das gilt auch für eine abgefundene Rente. Etwas anderes kann gelten, falls der Rentenempfänger in einem anderen Land steuerpflichtig ist.

 

Hannah Schnitzler